Im Dunkel der Waelder
welche Ironie, mit ihren blinden Augen auf das Gesicht ihres Mörders starrt … Ich hasse dich, Elise. Die anderen habe ich nicht gehaßt, nein, ich habe sie geliebt, wirklich geliebt, aber dich, dich hasse ich …«
Schaltet dieses Band ab!
Wer hat die Kassette eingelegt? Wer hat sie gegen die Zola-Kassette ausgewechselt? Plötzlich kommt mir ein grauenvoller Gedanke: Er ist da, er ist da, hier neben mir und hört sich mit einem Grinsen reden, ich bin sicher, er hält das Skalpell in seiner Hand, hört sich die Kassette mit an und beobachtet mich dabei.
»… Ja, genau das müßte man mit ihr machen, sie töten, sich dieser unnützen Kreatur entledigen, ihr die schlimmsten Leiden auferlegen, sie bestrafen …«
Aber wofür? Was habe ich denn getan? Die Stimme schweigt. Ich höre nichts mehr, nur noch Atemzüge. Kommen sie vom Band, oder sind sie dicht neben mir im Zimmer? Ich weiß es nicht, ich weiß nichts mehr, ich habe furchtbare Angst … da, es fängt wieder an … wieder diese elektronische Stimme und …
»Hallo – Guten Tag.«
O nein, nicht noch einmal, ich will das nicht noch einmal hören!
»Was machst du hier? – Ich pflücke Brombeeren für meine Mama. – Wenn du willst, helfe ich dir. Weißt du, du bist sehr hübsch … – Ich muß nach Hause … – Warte noch ein wenig … Bleib bei mir … – Nein, ich muß gehen, ich bin schon zu spät … – Komm! Ich habe eine Überraschung für dich. – Nein! – Komm, habe ich gesagt, komm zu mir! – Nein! Ahhh! Ahhh!«
Der Schrei hallt wider. Ich halte das nicht aus, ich halte das nicht mehr aus, aufhören, aufhören! Es bricht ab. Dieses Schwein hat sich aufgenommen! Er hat die Morde aufgenommen und hört sie sich abends zu Hause vom Band an, um zum Orgasmus zu kommen! Man muß ihn töten, das ist ein Monster … und er ist hier …
Eine Hand auf meinem Arm. Warm. Lebendig. Ich träume nicht. Ich schreie innerlich so laut, daß ich den Eindruck habe, mein Kehlkopf müsse zerspringen. Eine Hand an meiner Gurgel, die zudrückt, und noch etwas, etwas Kaltes, das Skalpell, mein Gott, das Skalpell. Es bohrt sich in mein Fleisch, das tut weh, bitte, so helft mir doch, er drückt noch fester zu, es brennt, bitte, so helft mir doch, irgend jemand, bitte, bitte! Nein, du Schwein, du Schwein! Er wird mich lebendig in Stücke schneiden. Ich bringe dich um, du Schwein! Ich schlag zu, ich schlag dir mitten ins Gesicht, du Schwein …
»Mademoiselle Andrioli? Sind Sie da?»
Yssart! Schnell! Schnell!
»Ich habe mir erlaubt, hereinzukommen, die Tür war offen, und ich bekam keine Antwort auf mein …!«
Halt die Klappe und beeil dich! Schnell!
»Ah, da sind Sie … Ich wollte Sie sprechen … Aber was ist denn passiert?«
Yssart! Er ist hier! Der Irre ist hier! Er hat sich in irgendeiner Ecke versteckt, Vorsicht, er ist bewaffnet! Verflucht, warum kann ich nicht sprechen!
»Ich rufe einen Krankenwagen. Alles ist gut.«
Nein, nichts ist gut, er wird erst dich, und dann mich töten. Mich bei lebendigem Leib zerstückeln, und ich kann nicht einmal schreien. Ja, das wird er tun, genau wie er es mit den Kindern gemacht hat … Ich spüre, wie Tränen der Wut und der Angst über meine Wangen laufen.
»Weinen Sie nicht, jetzt wird alles gut. Der Krankenwagen kommt gleich. Wissen Sie, wer es war?«
Kein Zeigefinger. Wie soll ich ihm sagen, daß der Mörder bestimmt hier ist … außer, er hätte sich hinter der Tür versteckt und wäre hinausgelaufen, während sich Yssart um mich kümmerte … Wenn ich nur …
Ich spüre, wie etwas Warmes über meinen Arm rinnt.
»Bleiben Sie ganz ruhig. Bewegen Sie nur den Finger. Waren Sie allein?«
Zeigefinger.
Die Kassette. Er muß sich die Kassette anhören. Trotz der Schmerzen hebe ich die Hand und versuche, auf den Apparat zu deuten.
»Vorsichtig. Was wollen sie mir sagen. Der Schrank?«
Ich senke den Arm.
»Nein, also nicht der Schrank. Die Wand? Die Vase? Das Bild? Die Stereoanlage?«
Zeigefinger.
»Etwas in der Anlage?«
Zeigefinger.
Er geht hin, und ich höre, wie er sich an dem Apparat zu schaffen macht.
»Da ist nichts, neben dem Apparat liegt nur eine Kassette, Bestie Mensch. «
Das Schwein hat die Kassette an sich genommen, ehe Yssart hereingekommen ist! Die Sirene eines Krankenwagens ist zu hören, ich fühle mich schlapp, mir ist kalt. Yssart legt den Arm um meine Schultern. Er riecht nach Rasierwasser:
»Da kommt der Krankenwagen. Alles wird gut, machen Sie sich keine Sorgen …«
Warum
Weitere Kostenlose Bücher