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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Schreibtischbein fest, und beim geringsten Geräusch … Manchmal hatte ich solche Schmerzen, daß ich kaum laufen konnte, doch keiner hat es bemerkt, weder in der Schule noch beim Klavierunterricht … Mein Vater war krank, man hätte ihn einsperren müssen; und Tony war auch gemeingefährlich. Später hat mir der Psychiater erklärt, daß es normal sei, daß Frauen, die eine gestörte Kindheit hatten, einen Mann heiraten, der ihrem Vater ähnlich ist, einen der gewalttätig und Alkoholiker ist. Und dann, als ich glaubte, das alles hinter mir gelassen zu haben und die Sache mit Renaud passierte, ging alles wieder von vorne los. Der Fluch verfolgt mich. Elise, ich kann nicht mehr, und Paul verändert sich zusehends. Er ist gemein, er trinkt, ich habe Angst vor ihm …«
    Dazu hast du vielleicht auch allen Grund … Und dieser Tony, warum haben sie ihn denn eingesperrt? Einen Arm gebrochen, brrr … Scheint ja nicht gerade ein sanfter Typ zu sein. Das Leben der armen Hélène ist ein wahres Melodram. Darüber könnte ich glatt mein eigenes Unglück vergessen.
    »Wenn er Virginie anrührt, hole ich die Polizei. Ich habe es ihm neulich gesagt: Es kommt nicht in Frage, daß ich so etwas noch einmal durchmache. Das könnte ich nicht ertragen.«
    ›Erzähl mir von Tony‹, würde ich ihr am liebsten zurufen.
    »Manchmal kommen mir gewisse Ideen, ich kann mich niemandem anvertrauen, aber ich frage mich … ich sage mir, daß Tony vielleicht … Aber das ist unmöglich, er ist in Marseille. Er wird nie im Leben rauskommen, sie haben ihn zu den gemeingefährlichen Kranken gesteckt, verstehen Sie? Aber wenn … aber wenn er doch rauskäme? Wenn er zurückgekommen wäre, um sich seine Tochter zu holen? Er hat mir gesagt, er würde mich umbringen, wenn er mich fände, er würde alle töten, die sich ihm in den Weg stellen.«
    Das wird ja immer besser. Zuerst hatten wir nur einen Kindermörder, jetzt haben wir auch noch einen geisteskranken Ex-Ehemann.
    »Darum haben sie ihn ja auch eingesperrt. Wegen des Mordes. Und jetzt …«
    »So, da sind wir wieder! Hat es nicht zu lange gedauert?« Nicht lange genug, Yvette! Hélène hat sich schon erhoben.
    »Überhaupt nicht. Wir haben ein wenig geplaudert. So, wir müssen jetzt gehen, wir wollten nur kurz guten Tag sagen. Kommst du, Virginie? Vielen Dank für die Erfrischungen, Yvette. Bis morgen.«
    »Bis morgen, noch einen schönen Abend.«
    »Das hoffe ich«, meint Hélène sarkastisch beim Hinausgehen.
    »Alles in Ordnung?« erkundigt sich Yvette.
    Handheben. Mein Gehirn arbeitet auf vollen Touren, meine gute Yvette. Stell dir vor, eine neue Person namens Tony hat die Bühne betreten, und er scheint mir nicht von schlechten Eltern. Denn wen würde Virginie mehr schützen als Paul? Ihren leiblichen Vater! Und schon wird uns ein Kindermörder auf dem Silbertablett präsentiert! Doch während ich meine brillanten Theorien durchgehe, wird die Beerdigung von Joris vorbereitet. Das Leben ist eben kein Roman! Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung würde ich sogar sagen, daß das Leben manchmal wirklich beschissen ist.
    Wäre ich lieber tot? O nein, das muß ich eingestehen. Selbst wenn das Leben häßlich, traurig, grausam und ungerecht ist, bin ich lieber lebendig.
    Ende des philosophischen Exkurses. Kommen wir wieder zur Sache.
    Hélène hat von einem Mord gesprochen. Virginies leiblicher Vater soll wegen eines Mordes, den er begangen hat, eingesperrt worden sein! Wenn er nun ausgebrochen wäre und Virginie ihn erkannt hätte … Das würde erklären, warum sie ihn schützt … Warum zum Teufel hat Yssart diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen? Weiß er überhaupt von Tonys Existenz? Einen Augenblick, mein Mädchen: Wie hätte Virginie einen Vater erkennen können, den sie seit ihrer frühesten Kindheit nicht mehr gesehen hat? Und wie hätte er sie wiederfinden können? Ich nehme nicht an, daß Hélène ihm ihre neue Adresse hinterlassen hat …
    Gehen wir mal davon aus, daß er sie sich besorgt hat … Nein, besser noch, daß er aus dem Krankenhaus geflohen und zufällig hierhergekommen ist. Er läßt sich in der Gegend nieder und verspürt den unwiderstehlichen Drang, Kinder zu töten. Eines Tages beobachtet Virginie ihn und … Nein, das geht nicht, sie kann ihn ja nicht wiedererkennen. Außer, er hätte sie erkannt … Ja, vielleicht hat er sich im Krankenhaus Informationen über seine Tochter beschafft, ein Foto oder irgend etwas. Er erkennt sie also, sagt ihr, wer er ist,

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