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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Halluzination? Er nennt mich Elise und erzählt mir eigenartige Dinge. Nimmt er Drogen? Oder läßt mein fataler Charme alle Männer, denen ich begegne, ausrasten? Isis und Osiris … Soweit ich mich erinnere wurde Osiris getötet und seine Leiche zerstückelt, und Isis versuchte, ihn wieder zusammenzusetzen, sie sammelte all die verstreuten Stücke ein, um ihn wieder zum Leben zu erwecken. Ich sehe keinen Zusammenhang zu den Morden hier in Boissy-les-Colombes im 20. Jahrhundert … Bei Zeus! Die Körperteile! Die Augen, die Haare, die Hände, das Herz … Aber wer soll ›rekonstraiertx werden? Renaud? Sollte Paul nach dem Mord an seinem Sohn wahnsinnig geworden sein und versuchen, ihn wieder zusammenzusetzen? Nein, die Mordserie hat schon früher begonnen! Nein, verzettle dich bloß nicht!
    Und was habe ich mit der Sache zu tun? Warum werde ich angegriffen? Welche Beziehung besteht zwischen mir und den Kindern? Gibt es vielleicht zwei Mörder? Zwei Verrückte in derselben Stadt?
    Schlafen, die Frau hat gut reden! Sie ist schließlich nicht mitten in der Nacht von einem irren Kommissar besucht worden, nachdem sie nachmittags fast umgebracht worden wäre … Sie hätte mir lieber eine Spritze geben sollen, eine gute kleine Spritze, die einen auf die große Weide schickt … wo es keine Angst oder sonstwas gibt … Wenn ich als kleines Kind nicht schlafen konnte, stellte ich mir einen Gummiball vor, der einen Gang entlang oder eine Treppe herunterhüpfte, und ich folgte ihm mit den Augen und folgte ihm … folgte ihm …

    Ich habe Kopfschmerzen. Ich liege in meinem Bett, die Krankenschwester hat mich gerade gewaschen, mir die Schüssel untergeschoben und meinen Verband gewechselt. Sie hat mir erzählt, daß es draußen grau und sehr kalt ist. Die Wunden scheinen gut zu verheilen. Dieser elende Mistkerl hat mir den ganzen rechten Arm aufgeschnitten und den rechten Oberschenkel, lange, ein Zentimeter tiefe Schnitte. Der linke Unterarm, den ich ihm ins Gesicht geschleudert habe, wurde beim Ausholen vom Messer gestreift, die Wunden sind nur oberflächlich. Eigentlich habe ich keine Schmerzen, sie haben mir bestimmt ein Schmerzmittel verabreicht.
    Warum zum Teufel ist Yssart mitten in der Nacht in mein Zimmer gekommen? Das erinnert mich an Stéphanes Anruf, um mir mitzuteilen, er müsse fliehen. Die Krankenschwester fragt mich, ob sie den Fernseher einschalten soll, ich hebe die Hand. Ablenkung ist immer gut. Sie wechselt von einem Kanal zum anderen, bis sie im dritten Programm eine wissenschaftliche Sendung für Jugendliche gefunden hat. Da kann ich wenigstens noch was lernen. Ich höre eine halbe Stunde aufmerksam zu, dann öffnet sich die Tür.
    »Elise? Wie geht es Ihnen?«
    Yvette. Ich hebe die Hand. Hinter ihr eine weitere Stimme: »Guten Tag, Elise.«
    Hélène.
    »Geht es dir jetzt gut?«
    Virginie.
    »Leise, Virginie, Lise ist sehr müde.«
    Paul. Sie sind alle drei da. Die drei Chaoten. Warum denke ich das? Ich weiß nicht, einfach so, ganz spontan.
    »Sie haben uns einen schönen Schrecken eingejagt!« sagt Hélène.
    »Tut es noch sehr weh?« erkundigt sich Virginie.
    »Ein ruhiges Zimmer«, stellt Paul fest, und ich stelle mir vor, wie er von einem Bein aufs andere tritt, wie es Männer in Krankenhäusern oft tun.
    Ich hebe ganz zufällig die Hand, um zu zeigen, daß alles in Ordnung ist.
    »Ich habe Inspektor Gassin gesagt, daß ich ganz sicher war, die Tür abgeschlossen zu haben, doch dann habe ich mich erinnert: Ich wurde von einem herabfallenden Ast abgelenkt, Sie wissen ja, wie mir dieser Wind zusetzt«, sagt Yvette, die Schuldgefühle hat.
    »Der Kommissar ist tot«, verkündet Virginie.
    »Virginie!« ruft Paul sichtlich verärgert.
    Yssart tot?
    »Er hat gestern abend gegen neun Uhr in seiner Pariser Wohnung einen Herzinfarkt erlitten«, erklärt Hélène in dem betretenen Schweigen. »Inspektor Gassin hat es uns heute morgen erzählt. Na ja, wir haben ihn eigentlich nicht so oft gesehen, vielleicht zwei-, dreimal …«
    Eine eisige Kälte überkommt mich. Wenn Kommissar Yssart gestern abend um neun Uhr zu Hause gestorben ist, wer hat dann um drei Uhr nachts hier mit mir gesprochen? Habe ich das nächtliche Treffen nur geträumt?
    »Man muß sagen, daß er nicht sonderlich gesund aussah …«, fügt Paul hinzu, »er sah so aus, als würde er gern mal ein Gläschen trinken …«
    Yssart? Aber er roch nie nach Alkohol … Was sind das eigentlich für Menschen, die da reden? Sind sie real? Bin ich real?

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