Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
Vom Netzwerk:
schwebte und dann plötzlich durch eine rotgolden im Sonnenlicht liegende Lücke im Blätterdach aufstieg und verschwand.
    Clete stand jetzt neben mir. Unter den Bäumen war es windstill, und ich konnte das Mückenschutzmittel auf seiner schweißnassen Haut riechen. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und scheuchte Moskitos aus seinen Haaren.
    »Das ist ja wie auf dem Mekong. Es muß eine Falle sein«, sagte er.
    »Ich glaube, er hat Angst.«
    »Meine Fresse. Der Typ hat sein Leben lang Leute umgebracht. Kann sein, daß wir um ’ne Kurve kommen, und der macht uns zu Hackfleisch.«
    »Darum geht’s nicht. Er hatte zu viele andere Gelegenheiten.«
    Clete deutete mit dem Finger auf mich, warf mir einen finsteren, stechenden Blick zu, verließ dann die Kabine und ging nach vorn zum Bug, wo er ein Knie auf den Boden setzte, das AR-15 auf den Oberschenkel stützte und sich den Riemen um den Unterarm schlang.
    Die Sonne drang durch das Blätterdach und fiel auf ein versunkenes Hausboot und den bleichen, aufgedunsenen Kadaver eines Wildschweins, der sich unter dem Vordach verkeilt hatte. Die metallisch grünen Rücken der Alligatorhechte hoben sich aus dem Wasser, dann öffneten sich die langen, mit nadelspitzen Zähnen bestückten Mäuler, und sie fraßen sich tief hinein in die Höhlung, in der einst der Magen des Schweins gewesen war.
    Vor uns befand sich eine unübersichtliche Biegung. Allmählich glaubte ich, daß Clete recht hatte. Nicht nur, weil das Risiko allein bei uns lag – ich hatte mich zu der Überzeugung hinreißen lassen, daß ein Mann bar jeder Moral, ein pathologischer Fall, dazu fähig war zu bereuen, menschlicher war, als er sich bislang gezeigt hatte. Dieser Bayou, abgeschottet vom Licht, voller Insekten, Alligatorhechte und Giftschlangen, über dem ein dunkler Geruch nach Tod und Verwesung hing, ein Ort, der Joseph Conrad wohlvertraut gewesen wäre, war Pogues Rückzugsgebiet, und bislang hielten wir uns an die von ihm vorgegebenen Bedingungen.
    Ich stellte die Motoren ab, und in der jähen Stille hörte ich unser Kielwasser über die Sandbänke im Wald schwappen, das Konzert der Vögel, die zwischen den Bäumen herumschwirrten, wie ein Alligator den Schwanz aufs Wasser schlug.
    Aber das Boot des Sheriffs vom Bezirk St. Mary, auf dem Helen Soileau war und das Emile Pogue den Fluchtweg abschneiden sollte, hörte ich nicht.
    Ich wollte gerade das Funkgerät einschalten, als ich Clete die Hand heben sah.
    Jemand rannte im Wald davon, brach durch das Unterholz, platschte durch ein Wasserloch. Ich spürte, wie der Bug auf eine Sandbank lief und das Boot liegenblieb. Ich ging nach vorn zu Clete und sah zu, ob ich zwischen den Baumstämmen, dem Rankengewirr, den aus dem Laubdach fallenden Blättern, den blauvioletten Schatten, die wie Tiergestalten wirkten, etwas erkennen konnte.
    Dann hörten wir in der nächsten Bucht ein Propellerboot aufröhren.
    »Was fällt dir dazu ein?« sagte Clete.
    »Vielleicht will er seine Freiheit noch ein bißchen auskosten.«
    Wir sprangen vom Bug auf die Sandbank und rückten im seichten Wasser am Ufer entlang bis zu der Biegung vor. Cletes Nacken war ölig vom Schweiß, von Insektenbissen gerötet. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund, hielt an der Biegung des Bayou kurz inne, trat dann mit ungerührter Miene aus der Deckung und schaute sich rasch um.
    Er deutete nach vorn.
    Ein Aluminiumboot mit Außenbordmotor war mit einer Kette an einem Zypressenstrunk am Ufer vertäut, und dahinter, etwas zurückgesetzt, stand eine auf Pfählen gebaute Hütte. Die Fliegengitter waren mit Rost, toten Insekten und Schmutz verklebt, und das Blechdach war längst verschossen und verfärbt wie ein Wald im Winter. Die Pfähle schillerten dort, wo sie aus dem stehenden Wasser ragten, wie mit einer Schicht Altöl überzogen. Clete preßte sich ein zusammengeknülltes Taschentuch ins Gesicht. Der feste Boden hinter der Hütte wimmelte von Schmeißfliegen und stank nach nicht vergrabenen Exkrementen.
    Ich zog meine 45er aus dem Holster, hebelte ein Hohlspitzgeschoß in die Kammer und schob mich zwischen den Bäumen zur Rückseite der Hütte vor, während Clete von vorn anrückte.
    Das Wasser war erst vor kurzem zurückgegangen, und der Sand war feucht und ringelte sich wie weicher Zement über meine Tennisschuhe. Ich hörte Geräusche in der Hütte, dann wurde mir klar, daß ein Radio lief. Es war Ravels 
Bolero
, der sich langsam aufbaute, allmählich steigerte, immer

Weitere Kostenlose Bücher