Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
wieder auf der Straße sah, war ihr Gesicht dick geschminkt und grün und blau verfärbt.
Im Jahr darauf verließ sie in einem Greyhound die Stadt. Ein katholischer Priester, der vietnamesische Flüchtlinge betreute, fuhr sie zum Busbahnhof in Lafayette und verweigerte hinterher jede Auskunft über ihren Zielort.
Eine Zeitlang hatte Rufus mit einer Oben-ohne-Tänzerin aus Morgan City zusammengelebt, die ehemals in Lake Charles Bewährungshelferin für jugendliche Straftäter gewesen war. Es hatte auch noch andere gegeben, die gekommen und wieder gegangen waren, immer dieselbe Sorte, alle aus dem gleichen Topf, der anscheinend nie zur Neige ging – gegängelte und mißbrauchte Frauen, die vorübergehend Trost in den Armen eines Mannes suchten, der sie letztendlich ebenfalls wieder erniedrigen und verstoßen würde. Jemand wie Rufus, ein ehemaliger Unteroffizier, stellte Altbewährtes nicht in Frage. Die einzigen Fixpunkte in seinem Leben waren die beiden Jagdhunde und sein abgeschiedenes, frischgestrichenes Holzhaus.
Es dämmerte bereits, als ich in den Fahrweg zu seinem Haus einbog, meinen Pickup unter den Bäumen parkte und nach hinten ging. Er war im Unterhemd, hatte eine Flasche Bier in der Hand und saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf der Betonplatte, die ihm als Veranda diente. Auf dem Drehgrill neben ihm zischte das Fett einer Schweinshaxe im Feuer. Rufus’ Schultern waren glatt, wie aus Stein gemeißelt, dunkelbraun gebrannt. Auf seinem rechten Arm war golden und rot das Abzeichen des Marine Corps eintätowiert. Der Garten führte zum Ufer hinab, und unten, im Schatten, lag eine halbversunkene, mit grünem Moos überwucherte Piroge.
Wie üblich war er weder freundlich noch abweisend. Ich hatte den Eindruck, daß ich ihm, außer Dienst zumal, ebenso gleichgültig war wie die Autos, die auf dem Highway vorbeisurrten. Eine brünette Frau mit ungekämmten Haaren und abgeschnittenen Jeans kam heraus und stellte hölzerne Salatschüsseln und Teller auf einen kleinen Tisch, ohne mich auch nur einmal anzuschauen. Und er machte keinerlei Anstalten, sie vorzustellen.
Er schob mir mit dem Fuß einen Metallstuhl zu.
»In der Kühlbox da is was Kaltes zu trinken«, sagte er.
»Ich habe gehört, daß Sie Ruthie Jean Fontenot zum Flugplatz gebracht haben.«
Er steckte sich eine Zigarette in den Mund, fummelte sein Feuerzeug aus der Uhrtasche seiner Levi’s. Die Weltkugel mit dem Anker prangte in Bronze darauf.
»Was ist da schon dabei, Dave?« sagte er.
»Arbeiten Sie für die Bertrands?« Ich versuchte zu lächeln.
»Eigentlich nicht.«
»Aber was?«
»Ich tu bloß jemandem einen Gefallen«, sagte er.
»Aha. Glauben Sie, daß Ruthie Jean reingelegt werden soll?«
»Inwiefern?«
»Die Bertrands haben ihre eigenen Geschäftsgepflogenheiten.«
Er setzte sein Bier an und nahm einen langen, tiefen Schluck, wirkte dabei weder gierig noch genüßlich. Er blies den Zigarettenrauch in die violette Luft. »Wir essen jeden Moment«, sagte er.
»Ich habe vor, die Ermittlungen gegen Julia und Moleen wegen dieses tödlichen Verkehrsunfalls wiederaufzunehmen.«
»Ich lad Sie ein. Die hatten nichts damit zu tun.«
Ich musterte sein markiges Profil, die messerscharf gestutzten Haare, den Knoten an seinem Kinn, die grünen Augen, in denen so häufig der pure Neid stand, und mit einemmal hatte ich den Eindruck, daß ich es hier mit einem Unschuldigen zu tun hatte, der sich der Grenzen, die er überschritten hatte, überhaupt nicht bewußt war.
»Moleen hat sich mit Leuten eingelassen, die kein Pardon kennen, Rufus«, sagte ich.
»Das soll wohl ein Witz sein? Der is doch ’n Schlappschwanz. Dem seine Frau rutscht den ganzen Morgen das Treppengeländer rauf und runter, damit sein Essen warm bleibt.«
»Bis demnächst«, sagte ich.
Ich wachte frühmorgens auf und fuhr hinaus zur Bertrandschen Plantage.
Warum?
Ich wußte es beim besten Willen nicht. Die Zementlaster, Planierraupen und Bulldozer standen einsam und verlassen inmitten der Brache, die sie vom Highway bis zum Waldrand geschlagen hatten. Warum hatte sich eine Firma namens Blue Sky Electric ausgerechnet diese Stelle für eine Fabrikansiedlung ausgesucht? Wegen des Bahnanschlusses? Offensichtlich spielte das eine Rolle. Aber in Louisiana gab es jede Menge Bahngleise.
Vielleicht lag die Lösung bei den Menschen, die hier lebten.
Sie waren zum Großteil mittellos und ungebildet und verfügten über keinerlei finanzielle oder politische Macht. Man
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