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Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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muß nicht unbedingt in Louisiana geboren und aufgewachsen sein, um zu begreifen, welches Verhältnis sie seit alters her zur Großindustrie hatten.
    Diejenigen, die in den Konservenfabriken arbeiteten, wurden am Ende der Erntezeit auf die Straße gesetzt und erfuhren auf dem Arbeitsamt, daß sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten, weil diese Tätigkeit nur von Vollzeitkräften ausgeübt werden dürfe. Und da die Konservenfabriken saisonal bedingt geschlossen hätten und Vollzeitkräfte somit nicht vermittelbar seien, hätten sie auch kein Anrecht auf das Geld, das sie in die Kasse einbezahlt hatten.
    Für Menschen, die ihre Unterschrift mit einem X leisteten, waren das böhmische Dörfer.
    Jahrzehntelang war in den Reis- und Zuckerfabriken jeder fristlos entlassen worden, der das Wort Gewerkschaft auch nur in den Mund genommen hatte, und den Mindestlohn zahlte man auch nur, weil man am Binnenmarkt teilhaben wollte. »Auf jedem Rohr ein Mohr« hatten die Ölmänner zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung gelästert. Doch der Rassismus spielte in diesem Zusammenhang eine eher untergeordnete Rolle – hier ging es in erster Linie um ein riesiges Reservoir an Arbeitskräften, die bereit waren, für jeden Lohn zu schuften, den man ihnen anbot.
    Heutzutage beschränkte sich das auf gewisse Gegenden. Die schlimmsten Umweltschädlinge, die Chemiefabriken und die Erdölraffinerien, hatten sich in einem schmalen Landstrich entlang des Mississippi angesiedelt, dem sogenannten Giftgürtel, der von Baton Rouge bis hinunter nach St. Gabriel reichte.
    In den angrenzenden Gemeinden lebten nahezu ausnahmslos Schwarze und arme Weiße.
    Ich fuhr den Feldweg entlang und hielt vor Luke Fontenots Haus. Ich sah sein Gesicht am Fenster; dann öffnete er die Fliegengittertür und kam auf die Veranda, barfuß, ohne Hemd, mit einem Marmeladenglas voller Kaffee in der Hand.
    »Irgendwas passiert?« fragte er.
    »Nein, ich wollte bloß die Zeit totschlagen. Wie geht’s, Luke?«
    »Gar nicht übel ... Fahrn Sie einfach so durch die Gegend?«
    »So in etwa.«
    Er schob sich den Daumennagel zwischen die Zähne, faltete dann die Hände und betrachtete seine Fingerspitzen. »Ich brauch einen rechtlichen Rat.«
    »Worum geht’s?«
    »Sie müssen mir erst versprechen, daß es keiner erfährt.«
    »Ich bin Polizist, Luke.«
    »Polizist sind Sie, wenn Ihnen danach zumute is, Mister Dave.«
    »Ich glaube, ich geh lieber ins Büro.«
    Er beugte sich über die Brüstung, schaute die Straße hinab, schätzte den Stand der Sonne ab.
    »Kommen Sie mit nach hinten«, sagte er.
    Ich folgte ihm außen um das Haus herum. An der hinteren Veranda blieb er kurz stehen, schlüpfte in ein Paar Segeltuchschuhe und zog eine Zuckerrohrsichel aus einem Baumstumpf, an dem offensichtlich die Hühner geschlachtet wurden.
    »Sehn Sie den Graben da, hinter dem alten Abort?« sagte er und ging vor mir her. »Gestern sind die mit der Planierraupe am Bach entlanggefahren. Mit einemmal is die Uferböschung eingebrochen, und der Fahrer hat die Raupe aufs Feld zurückgesetzt und hat hier nicht mehr weitergemacht. Und als letzte Nacht der Mond geschienen hat, hab ich was Helles in der Erde schimmern sehn.«
    Der Graben zog sich wie eine ausgefranste Wunde bis zum Rande eines Zuckerrohrfelds, wo er vor vielen Jahren zugeschüttet worden war, damit die Abwässer nicht durch die kultivierten Anbauflächen flossen. Die Ufer waren abgebröckelt und voller Krebslöcher, am Boden wucherte ein Dickicht aus Schilf und Rohrkolben, dazwischen lagen tote Algenklumpen und Zuckerrohrschalen, und durch das Röhricht zog sich eine Kette von stehenden Tümpeln, in denen die Insekten wimmelten.
    Luke schaute zurück zum Fahrweg, rutschte dann die Uferböschung hinab und stieg über einen Tümpel hinweg zur anderen Seite.
    »Sehn Sie, wo die Maschine die Erde runtergedrückt hat?« sagte er. »Schaut aus wie eine hängende Unterlippe, nicht?« Er lächelte zu mir hoch. »Mister Dave, erzähln Sie das jemand?«
    Ich kauerte mich hin, ohne ihm zu antworten. Wieder lächelte er, stieß den Atem aus, als ob er eine Ehrenerklärung für uns beide abgebe, grub dann die Spitze der Sichel in die Uferböschung, trug sie vorsichtig ab und betrachtete jeden Erdklumpen, der zu seinen Füßen hinabrollte.
    »Ich hab alles, was ich letzte Nacht gefunden hab, wieder in die Löcher reingestopft«, sagte er. Er hackte auf die Böschung ein, und eine Ladung Erde landete auf seinen Segeltuchschuhen. »Schaun Sie

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