Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
und ihr Wissen, das sie normalerweise aus paramilitärischen Zeitschriften beziehen, bewegen sich auf dem Niveau eines Comichefts. Manche von ihnen wurden wegen schlechter Führung unehrenhaft aus dem Militärdienst entlassen, andere sind weder körperlich noch geistig dazu in der Lage, die übliche Grundausbildung bei der US-Army durchzustehen. Sie zahlen Unsummen dafür, daß sie in einem Söldnerausbildungslager in den Pinienwäldern von Nordflorida Moskitos totschlagen dürfen, lassen sich mit Totenköpfen tätowieren, schwingen schwülstige Reden, für gewöhnlich in irgendwelchen Hinterwäldlerdialekten, und stimmen den klassischen, aber nichtsdestoweniger nihilistischen Kampfruf aller Legionäre an:
»Vive la guerre, vive la mort.«
In Miami wimmelt es von diesen Gestalten.
Wenn man im Raum New Orleans Kontakt zu ihnen aufnehmen will, muß man über den Fluß, nach Algiers, in eine Gegend voller Pfandleihhäuser, vietnamesischer Lebensmittelläden und Billigbars, und Tommy Carrols
Guns & Surplus
aufsuchen, ein Geschäft, in dem man die nötigen Waffen und Ausrüstungsgegenstände kaufen kann.
Es war Sonntag abend, und Helen Soileau und ich waren außer Dienst und nicht in unserem Zuständigkeitsbereich. Tommy Carrol, dem ich bislang noch nie begegnet war, wollte gerade die Glasvitrinen mit den Schußwaffen absperren und den Laden schließen. Er hatte eine ausgebeulte Hose mit Tarnfarbenmuster, auf Hochglanz polierte Kampfstiefel und ein hellgelbes T-Shirt mit weitem Halsausschnitt an, wie es Bodybuilder tragen. Sein glattrasierter Kopf erinnerte mich an eine Bowlingkugel aus Alabaster. Er kaute hektisch auf einem Kaugummi herum, blickte ein ums andere Mal von seiner Arbeit auf und schaute zu Helen und mir, als wir hintereinander zwischen aufgestapelten Kartons mit allerlei Survival-Ausrüstung, Munition, Schlauchbooten, Schaukästen mit Messern und den mit Ketten gesicherten Gewehrständern voller Militärwaffen hindurchgingen.
»Dann hab ich also die gottverdammten Bälger wieder am Hals, läuft’s darauf raus?« sagte Helen nach hinten gewandt zu mir. Sie trug eine hellbraune Hose, lackierte Strohsandalen und eine geblümte Bluse, die über ihren Gürtel hing. Sie nahm einen Schluck aus der Bierdose, die in einer braunen Papiertüte steckte.
»Hab ich das gesagt? Hab ich das auch nur mit einem Wort gesagt?« konterte ich.
»Brauchen Sie irgendwas?« sagte Tommy Carrol.
»Ja, ein paar Excedrin«, sagte ich.
»Is irgendwas nicht in Ordnung?« fragte Tommy Carrol.
»Ich suche Sonny Boy Marsallus«, sagte ich.
»Und komm uns nicht wieder mit der ambulanten Herpes-klinik. Da sind wir nämlich schon gewesen«, sagte Helen.
»Schnauze, Helen«, sagte ich.
»Hab ich nu den großen Macker und Macher geheiratet oder nicht?« sagte sie.
»Worum geht’s denn?« fragte Tommy kaugummikauend.
»Treibt Sonny sich nicht immer hier rum?«
»Manchmal. Ich meine, früher war’s so. Jetzt nicht mehr.«
»Helen, warum wartest du nicht draußen im Auto?« sagte ich.
»Weil ich keine Lust hab, den gottverdammten Bälgern schon wieder die Windeln zu wechseln.«
»Ich war ’ne Weile nicht aktiv«, sagte ich zu Tommy. »Ich hätt gern wieder was zu tun.«
»Und zwar?«
»Entwicklungshilfe. Das hier ist doch die Meldestelle?« fragte ich.
Er zog die Augenbrauen hoch und blickte zur Seite. Dann beulte er mit den Fingern seine Backe aus. Seine Augen wirkten wie blaue Murmeln.
»Wenn Sie mir unbedingt auf den Sack gehn wollen, nur zu«, sagte er. »Aber ich mach jetzt den Laden dicht, und ich hab keinen Kontakt zu Sonny, und mit dem Ehekrach anderer Leute hab ich auch nix am Hut.« Nachdrücklich riß er die Augen auf.
»Soll das der Typ sein, der die ganzen Söldner kennt?« sagte Helen und lachte höhnisch auf. Sie setzte die Bierdose an und trank sie aus. »Ich fahr zu dem Laden an der Ecke runter. Wenn du in fünf Minuten nicht da bist, kannst du von mir aus mit dem Bus heimfahren.«
Sie knallte die Glastür hinter sich zu. Tommy schaute ihr hinterher.
»Is das echt Ihre Frau?« fragte er und kaute auf seinem Gummi herum.
»Jo.«
»Was für Erfahrungen können Sie vorweisen? Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen.«
»Eine Dienstzeit in ’Nam. Dazu der eine oder andere Kleinscheiß mit den Tomatenpflückern.«
Er schob einen Stift samt Block über den gläsernen Ladentisch.
»Schreiben Sie Ihren Namen und Ihre Nummer auf. Mal sehn, was ich auftun kann.«
»Mit Sonny können Sie mich nicht
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