Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
von der Welt außerhalb des Bezirks Iberia, aber er war einer der tapfersten und loyalsten Männer, die ich jemals kennengelernt habe.
Er wischte den Tau von den zu Tischen umfunktionierten Kabeltrommeln, in denen Cinzano-Schirme steckten, damit die Fischer Schatten hatten, wenn sie mittags zum Barbecue-Lunch vorbeikamen, das wir für 5,95 Dollar anboten.
»Weißt du, was ’n Nigger heut früh in einem Boot von uns verloren hat?« fragte er.
»Batist, du mußt dir dieses Wort abgewöhnen.«
»Das is’n
Nigger
gewesen, der eine Rasierklinge und eine Knarre dabeigehabt hat. Der hat sich kein Boot leihen wollen.«
»Könntest du das von Anfang an erzählen?«
»Es is’n heller Nigger mit einer schicken Hose und spitzen, glänzenden Schuhen gewesen«, sagte er und fuhr bei jedem Wort mit dem Finger durch die Luft, so als wäre ich beschränkt. »Er hat sich in unser Boot da drüben gesetzt und mit den Fingern
Boudin
aus einer Papierserviette gegessen. Dieser Nigger, der is im Gefängnis gewesen und hat ’ne Schnur mit einer Rasierklinge um den Hals gehabt. Ich frach ihn, was er sich eigentlich denkt. Er schaut zu mir auf und sagt: ›Machst du hier sauber?‹
›Ja‹, sag ich, ›ich räum den Abfall aus dem Boot. Das heißt, daß du deinen nichtsnutzigen Arsch hochheben und dich verziehn sollst.‹
›Ich will mich nicht mit dir streiten‹, sagt er. ›Wo is Robicheaux?‹
›Der is nicht da‹, sag ich, ›und alles andere geht dich nix an.‹ Ich sag:
›Vas t’en, neg.‹
Das is alles. Die Sorte können wir hier nicht gebrauchen, Dave.«
Er nahm eine aufgeschnittene Clorox-Flasche und schaufelte damit die Asche aus dem halbierten Ölfaß, das wir als Grill benutzten. Ich wartete darauf, daß er fortfuhr.
»Wie hat er geheißen?« sagte ich. »Was für ein Auto hat er gefahren?«
»Er hat kein Auto gehabt, und nach seinem Namen hab ich ihn nicht gefracht.«
»Wo ist er hin?«
»Was weiß ich, wo jemand hingeht, den man mit ’ner Holzlatte davonjagt.«
»Batist, ich halte nichts davon, daß man Leute so behandelt.«
»So einer wie der arbeitet immer dem weißen Mann in die Hände, Dave.«
»Wie bitte?«
»Wegen so einem glauben die Weißen, daß wir andern nicht das Recht haben, mehr zu verlangen als das, was wir haben.«
Mir war in diesem Moment klar, daß ich seiner Logik und Erfahrung nichts entgegenzusetzen hatte.
»Da is noch was andres, das ich mit dir besprechen will«, sagte er. »Schau mal rüber in den Laden, auf meine Schweinsfüße, mein
Graton
. Sag mir, was du davon hältst.«
Ich öffnete die Fliegendrahttür, traute mich aber kaum hinzuschauen. Der Krug mit den eingelegten Schweinsfüßchen war am Boden zerschellt; angeknabberte Schokoriegel, hartgekochte Eier und knusprig gebratene Schwarte, oder
Graton
, wie sie in Cajun-Französisch hieß, waren quer über die Theke verstreut. Mitten drin, in einer mit Draht bespannten Krabbenfalle gefangen, saß Tripod, Alafairs dreibeiniger Waschbär, und glotzte mich an.
Ich nahm ihn auf den Arm und trug ihn hinaus. Er war ein Prachtexemplar mit silbernen Fellspitzen und schwarzen Schwanzringen, einem fetten Bauch und großen Vorderpfoten, mit denen er Türknäufe umdrehen und Konservengläser aufschrauben konnte.
»Ich schick Alafair zum Aufräumen runter«, sagte ich.
»Es geht nicht, daß der Waschbär ständig den Laden versaut, Dave.«
»Meiner Ansicht nach hat jemand ein Fenster offengelassen.«
»Das stimmt.
Jemand
. Weil ich sie nämlich alle zugemacht hab.«
Ich war sprachlos.
»Ich bin letzte Nacht nicht hier drunten gewesen, Partner, falls du darauf hinauswillst.«
Er richtete sich auf, das Wischtuch in der Hand. Sein Gesicht wirkte mit einemmal besorgt. Zwei Angler mit einem Köderfischeimer und einer Kühlbox fürs Bier standen unter der Ladentür und schauten ungeduldig zu uns her.
»Du bist letzte Nacht nicht hier drunten gewesen, Dave?« fragte er.
»Nein. Wieso?«
Er griff mit Daumen und Zeigefinger in die Uhrentasche der weiten Latzhose, die er trug.
»Das hat heut morgen auf dem Fensterbrett gelegen. Ich hab gedacht, du hast es vielleicht am Boden gefunden«, sagte er und drückte mir das längliche Metallplättchen in die Hand. »Wie heißen die Dinger?«
»Hundemarken.« Ich las den Namen, der darauf stand, dann las ich ihn noch mal.
»Stimmt was nicht?« sagte er.
Ich spürte, wie ich die Marke umklammerte, wie mir die Kante in den Handteller schnitt.
»Du weißt doch, daß ich nicht lesen kann.
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