Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
nicht.
Schließlich hörte es auf zu donnern, aber der Regen prasselte nach wie vor auf das Blechdach, überflutete die Tische und den Bootsanleger und drang wie feiner Dunst durch die Fliegengitter. Ich wartete, bis er nachließ, schloß dann den Köderladen ab, rannte mit einem Regenmantel über dem Kopf die Böschung hinauf und beichtete Bootsie, daß sich unsere Lebensumstände geändert hatten.
An diesem Abend, an dem es für die Jahreszeit ungewöhnlich kühl war und seltsame Lichter am Himmel flackerten, kam Helen Soileau herausgefahren und setzte sich mit mir auf die Treppe vor dem Haus. Sie stützte die stämmigen Arme auf die Schenkel wie ein Baseballspieler auf der Auswechselbank und berichtete mir, was passiert war, als Sonny mich in Hörweite der Meeresbrandung angerufen hatte.
Die beiden Schützen waren Profis, vermutlich ehemalige Soldaten, keine aufgeblasenen Mafia-Auftragskiller, die ihre Opfer durch Hinterlist erledigten und ihnen die Mündung an den Haaransatz drücken mußten, damit sie nicht daneben-schossen. Sie hatten ihn, entweder mit AR-15 oder mit 223er Karabinern, aus etwa vierzig Metern Entfernung von zwei Seiten in die Zange genommen. Jeder andere wäre einfach in einem Schauer aus Glasscherben zurückgeschleudert worden und zuckend, wie von unsichtbaren Drähten bewegt, in der Telefonzelle liegengeblieben. Aber einer der Schützen verpfuschte es vermutlich, als er sein Gewehr zurechtrückte, weil er Sonnys Gesicht noch besser ins Visier bekommen, auf Knorpel und Jochbein und den beinahe femininen Mund anlegen wollte, der lautlos Worte bildete, die der Schütze haßte, auch ohne sie zu hören, bis er mit dem schmalen eisernen Rechteck alles genau erfaßt hatte und mit der geringsten Fingerbewegung zerplatzen lassen konnte wie eine reife Wassermelone.
Doch der umgekippte Bootskörper, über den er anlegte, beulte sich ein und gab einen dumpfen Ton von sich, als er den Lauf verschob, und Sonny war mit einemmal wie elektrisiert. Das Adrenalin schoß ihm ins Blut, und er sprang aus der Zelle und rannte hüftschwingend und mit eingezogenen Schultern, wie ein Quarterback, der den gegnerischen Verteidigern ausweichen will, im Zickzack über die Bootswerft, während seine Haut brannte, als halte jemand ein heißes Streichholz daran.
Ein Zeuge drunten an dem zusammengebrochenen Pier sagte, Sonny sei wie von einem Zauber umgeben gewesen. Er rannte zwischen den Geräteschuppen aus Bimsstein und den verfaulten, im Trockendock liegenden Krabbenbooten hindurch, während die Schützen ein ums andere Mal auf ihn anlegten, einen Schweißereilaster trafen, von dem die Kugeln surrend abprallten, die Glasfenster eines Wachhäuschens zerschossen, die aufstehende Klappe eines schrottreifen Coca-Cola-Automaten zersiebten und eine Reihe Löcher in die rostige Wand einer Malerwerkstatt stanzten.
Sonny stürmte die sandige Böschung zum Flußufer hinab und legte noch einen Zahn zu. Aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund rannte er in Richtung Strand, auf die schwärmenden Möwen und anderen geflügelten Wesen zu, statt flußaufwärts, auf festen Boden zuzulaufen, und der Sand unter seinen Füßen wurde weicher und immer weicher, bis er bis zu den Knöcheln in dem zähen Brei einsank.
Dann stellten sie ihn.
Einer der Schützen, ein stämmiger, gedrungener Mann mit dicken Muskelsträngen quer über dem Rücken und hautengen, abgeschnittenen Jeans, die seine Genitalien einschnürten, kam keuchend über die Uferböschung gerannt, hatte das Gewehr in der Armbeuge und feuerte ununterbrochen, bis das Magazin leer geschossen war und rundum Patronenhülsen den Boden übersäten wie ausgebrochene Goldzähne.
Sonnys Hawaiihemd ruckte und zuckte, als ob Krähen darauf einhackten. Er geriet aus dem Tritt, verdrehte einen Moment lang den Oberkörper und krümmte sich dann zusammen, als ob ihm ein Stück Winkeleisen im Schlund steckte. Aber Sonny hatte schon vor langer Zeit, vermutlich noch in der Sozialsiedlung in Iberville, erlebt, was denjenigen blühte, die zu Boden gingen und ihren Gegnern vor die Stiefel kamen. Er riß sich noch einmal zusammen, bot sein ganzes inneres Gleichgewicht auf und zwang sich, nur mehr an ein einziges Ziel zu denken. Dann torkelte er auf die Brandung und den eingefallenen Pier zu, über dem die Schreie der aufgeschreckten Vögel widerhallten.
Er watete durch die Brecher, bis sich sein durchlöchertes Hemd in der Brandung aufbauschte, als wüchsen ihm Flügel. Die Schützen feuerten
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