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Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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noch zweimal, beide Male zu hoch und zu weit, so daß die Kugeln harmlos über das Wasser tanzten. Aber Sonny suchte sich seinen Abgang selbst aus. Er kämpfte sich weiter hinaus in die Strömung, tränkte die Welt der Fische und Krabben, der Aale und Stachelrochen mit seinem Blut und ließ sich dann einfach in die Tiefe sinken, bis nur mehr sein rotes Haar einen Moment lang auf einer Welle trieb wie eine vom Wind verwehte Blume.
    »Kommst du damit zurecht?« fragte Helen.
    »Sicher.«
    »Er hat seit jeher auf der Kippe gelebt. Das war seine Art.«
    »Ja, ich weiß, was du meinst«, sagte ich. Meine Stimme klang, als käme sie nicht von mir, so als spreche jemand anders. Nach einer Weile sagte ich: »Wer hat den Leichnam geborgen?«
    »Man hat ihn nicht gefunden.« Ich spürte förmlich, wie ihr Blick über mein Gesicht glitt. »Vergiß es, Dave. Er hat’s nicht geschafft. Der FBIler, mit dem ich geredet hab, hat gesagt, die Blutspur hat ausgeschaut, als ob er von Hunden zerfleischt worden war.«
    Ich spürte, wie meine Zähne aneinanderschabten. »Was hat er in Mississippi gemacht?«
    »An der Küste dort wimmelt’s von Casinos und Spaghettis. Vielleicht wollte er mal wieder seine übliche Tour durchziehen. Der FBIler, mit dem ich geredet hab, hat sich ziemlich unklar ausgedrückt, als ich ihn das gleiche gefragt hab.«
    Ich drückte mir die Daumen an die Stirn, schaute zum Himmel auf, der metallisch und verbrannt wirkte, im Wetterleuchten flackerte. Helen stand auf, hatte ihre Autoschlüssel in der Hand.
    »Er hat dich angeschissen, hat seinen Mist bei dir abgeladen, aber du hast trotzdem den Kopf für ihn hingehalten. Wehe, du belastest dein Gewissen auch noch damit«, sagte sie. Sie zielte mit dem Zeigefinger auf mich.
    Sie ging zu ihrem Auto, blieb dann stehen und drehte sich noch einmal um.
    »Hast du mich verstanden?« fragte sie.
    »Klar.«
    Sie schaute mir in die Augen, dann hob sich ihre Brust, und sie ging breitschultrig durch das nasse Laub und die Wasserpfützen auf der Auffahrt und strahlte dabei eine moralische Unantastbarkeit aus, um die ich sie nur beneiden konnte.
    Ich wachte um vier Uhr morgens auf und setzte mich auf die Bettkante. Ich konnte mich nicht mehr an die Einzelheiten des Traums erinnern, den ich gerade gehabt hatte, aber ein unangenehmer Gedanke hatte sich in meinem Kopf eingenistet und wollte sich beim besten Willen nicht verdrängen lassen – so als komme ein aufgebrachter Mann auf einem dunklen, mit Holzdielen ausgelegten Korridor auf einen zu.
    Wir hatten ihn in Gewahrsam. Dann hatte Johnny Giacano verbreiten lassen, er wolle nicht, daß Sonny auf Kaution freikomme.
    Frage: Wie konnte Johnny am ehesten dafür sorgen, daß mir zu Ohren kam, was er wollte?
    Antwort: Wenn Clete Purcel davon erfuhr.
    Hatte mich Johnny reingelegt?
    Ich wußte es nicht.
    Ich konnte mich mit Sonnys Tod nicht abfinden. Jemand wie Sonny starb nicht. Er schwebte hoch oben, in seinem eigenen Rhythmus, hörte Charlie-Parker-Riffs, wenn sich Himmel und Erde aneinander rieben, kam ohne Sonne aus, aber blühte auf, wenn die Neonlichter an der Canal Street und der St. Charles Avenue angingen, reimte Sonette aus Straßenjargon und bewies uns anderen, daß man das Leben in vollen Zügen auskosten und sich über die tödlichen Fußangeln des gemeinen Daseins hinwegsetzen konnte.
    Man hatte die Leiche nicht gefunden. Die See gibt ihre Toten immer preis, aber Sonnys Leiche hatte man nicht gefunden.
    Tot bist du, wenn sie den Leichensack aufziehen, die Hundemarke zwischen deinen Zähnen herausbrechen und deine Körpersäfte durch die Rinne auf dem Edelstahltisch abfließen. Dann bist du tot.
    Ich legte mich wieder aufs Kissen, schlug den Unterarm über die Augen und schlief ein. Ich träumte, daß ich Sonny wie einen Meeresgott aus der See steigen sah, am ganzen Körper mit Fischschuppen bedeckt, ein Muschelhorn in der Hand, und daß er bereits im Begriff war, sich in ein Wesen aus Luft und Lichtgespinst zu verwandeln.
    Am Nachmittag darauf meldete sich Batist am Telefon im Köderladen und reichte mir dann den Hörer. Es war heiß und stickig, und ich drückte mir eine beschlagene Dose Dr. Pepper an die Wange, setzte mich auf einen Hocker am Tresen und hielt das Telefon ans Ohr.
    »Robicheaux?«
    Die Stimme war unverkennbar, rau und kratzig vom Whiskey und den Zigaretten, desgleichen der Tonfall – als ob Asche aus einem Kamin aufsteigt.
    »Ja«, sagte ich und schluckte den gallenbitteren Geschmack hinunter, der mir

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