Im Dunkeln der Tod
mitten in der Stadt war jetzt vor allem von Wald und Bootsanlegern bedeckt.
Ein Stück weiter vorn gab es eine Treppe, die von der Brücke zu der verlassenen Insel hinunterführte.
Plötzlich entdeckte er eine Gestalt, die sich unten zwischen den Bäumen bewegte. Der Mann trug eine dunkle Windjacke und eine Strickmütze.
In dem Moment, als er an der Treppe vorbeikam, begegneten sich ihre Blicke. Der dunkel gekleidete Mann war groß und wirkte muskulös unter seiner Jacke. Sein Gesicht sah weich aus, eine blonde Locke schaute unter der Mütze hervor.
Er kam nicht auf die Idee, etwas zu sagen. Es war eine seltsame Situation. Sie waren allein in der kalten Nacht, und vielleicht hätten sie einen Gruß wechseln sollen. Der jüngere Mann war wirklich wahnsinnig attraktiv. Aber scheißegal, er wollte jetzt so schnell wie möglich nach Hause. Seine Wangen waren starr vor Kälte. Er steigerte sein Tempo.
Hinter ihm war kein Geräusch zu hören. Er wusste nicht, ob der Mann von der Treppe ihm folgte oder ob er in die andere Richtung gegangen war, nach Södermalm. Am Ende konnte er der Versuchung, sich umzuschauen, nicht widerstehen. Überrascht fuhr er zurück – der andere war nur wenige Meter hinter ihm. Er lächelte und schaute Hugo Malmberg voll in die Augen.
Ohne zu wissen, wie er dieses Lächeln deuten sollte, ging Hugo weiter.
Als er sich dem höchsten Punkt der Brücke näherte, frischte der Wind auf. Die Luft war so scharf und kalt, dass das Atmen schmerzte.
Da lief er nun durch die Stockholmer Innenstadt und konnte sich nicht daran erinnern, die Stadt jemals so verlassen erlebt zu haben. Alles um ihn herum war eingepackt, eingefroren, als seien Leben und Lärm der Stadt plötzlich versteinert, mitten in der Bewegung erstarrt. Es war dasselbe Gefühl, das er der Kunst entgegenbrachte. Ein kunstvoll gemaltes Bild, das ihn berührte, ließ alles um ihn herum für einen Augenblick erstarren, wie ein Foto – Zeit und Raum kamen zum Stillstand, und das Einzige, was existierte, waren er selbst und das Gemälde, das er betrachtete.
Und dann sah er wieder den unbekannten Mann, der jetzt plötzlich vor ihm war. Wie war das möglich?
Ein Gefühl von Unbehagen überkam ihn. Etwas am Verhalten des Mannes stimmte einfach nicht. Plötzlich ging ihm auf, wie hilflos er war, gut zu sehen mitten auf der Brücke, ohne die geringste Fluchtmöglichkeit, falls das ein Überfall war. Er konnte natürlich losrennen, aber der Verfolger würde ihn aller Wahrscheinlichkeit nach eingeholt haben, noch ehe er wirklich an Tempo gewonnen hatte.
Hinten auf Norr Mälarstrand sah er ein einsames Taxi in Richtung City fahren.
Er ging weiter und behielt dabei den Mann auf der anderen Seite der Brücke im Auge. Gleichzeitig hörte er ein Motorendröhnen, das sich rasch zu einem ohrenbetäubenden Lärm steigerte. Ein LKW kam ihm in hohem Tempo auf der Brücke entgegen. Er nahm für einen Moment das Gesicht des Fahrers wahr, dann donnerte das Fahrzeug vorbei.
Als der Wagenzug ihn passiert hatte, war der Mann auf der Brücke verschwunden.
AM SAMSTAG WURDE KNUTAS vom Telefon geweckt. Er erkannte sofort am anderen Ende der Leitung Sohlmans eifrige Stimme.
»Wir glauben, dass wir den Tatort gefunden haben.«
»Wo denn?«
Knutas war sofort hellwach.
»Bei der Liebespforte. Ich finde, du solltest herkommen.«
»Na gut, ich bin in einer Viertelstunde da.«
Knutas sprang aus dem Bett und lief unter die Dusche. Line streckte verschlafen die Hand nach ihm aus.
»Was ist los?«, murmelte sie müde.
»Es ist etwas passiert. Ich muss los.«
Er küsste sie auf die Stirn.
»Ich rufe nachher an«, rief er und sprang die Treppe zum Erdgeschoss hinunter. Ein Brot würde er gerade noch schaffen, der Kaffee dagegen musste warten, was ein fast unerträgliches Opfer bedeutete. Der Kaffee war sein morgendliches Lebenselixier.
Er fuhr so schnell er konnte zum Hafen und dann weiter an der Stadtmauer entlang zu der kleinen Öffnung in der Westseite, die »Liebespforte« genannt wurde. Als er dort eintraf, war bereits ein großer Bereich abgesperrt.
»Was ist denn passiert?«, fragte er Sohlman, der aus der Pforte schaute, als Knutas sich näherte.
»Ein Zeuge hat das hier heute Morgen gefunden.«
Sohlman hielt ihm eine Plastiktüte mit einer schwarzen ledernen Brieftasche hin.
»Alles noch drin, und das bedeutet, dass wir die Theorie vom Raubüberfall endgültig aufgeben können.«
»Wallins Brieftasche«, stellte Knutas fest.
»Er muss sie bei dem
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