Im Dunkeln der Tod
Viertelstunde, nachdem sie von Hugo Malmbergs Verschwinden erfahren hatten, dort eintrafen.
Die Suite lag oben im zweiten Stock. Zum Entsetzen des Rezeptionschefs versiegelte Sohlman die Tür sofort mit Klebeband.
»Muss das wirklich sein?«, fragte der Rezeptionschef unglücklich. »Das zeigt doch ganz deutlich, dass es sich hier um einen Tatort handelt, und das wird unter den Gästen zu Unruhe führen.«
»Vorschrift«, sagte Sohlman verständnisvoll. »Tut mir leid.«
Zehn Jahre zuvor war nachts im Hotel Wisby die Rezeptionistin ermordet worden – einer der drei unaufgeklärten Morde in Gotlands Geschichte. Der Mord hatte gewaltiges Medienecho nach sich gezogen, noch immer tauchte er ab und zu in Kriminalberichten auf.
Sohlman betrat die Suite als Erster und bedeutete den anderen, zu warten. Die drängten sich in der Türöffnung.
Vorsichtig schaute er sich um. Es roch verräuchert und stickig, das Bett war ungemacht, und jemand hatte eine Tischlampe umgeworfen, die ohne Schirm auf dem Boden lag. Im Wohnzimmer stand ein halb leeres Glas neben einem Aschenbecher mit einigen Kippen auf dem Tisch.
Sohlman zog den schweren Vorhang zur Seite und sah sofort, dass das Fenster aufgebrochen worden war. Über einem Stuhl neben dem Bett hingen sorgfältig zusammengefaltete Kleidungsstücke, und in der kleinen Diele stand eine Reisetasche.
»Wie viele Personen haben das Zimmer heute betreten?«, fragte Sohlman den Rezeptionschef, als er seinen Rundgang durch die Suite beendet hatte.
»Nur ich und Linda, die heute in der Rezeption Dienst hat. Ihr war aufgefallen, dass er nicht ausgecheckt hatte. Es kam nämlich ein Taxi, das er schon gestern bestellt hatte, um zum Flughafen zu fahren, aber wie gesagt, er war nicht da.«
»Waren Sie beide hier in der Suite?«
»Ja, sicher«, sagte der Rezeptionschef unsicher. »Aber höchstens eine Minute«, entschuldigte er sich dann, als sei ihm aufgefallen, dass er sich nicht sonderlich klug verhalten hatte.
»Das Fenster ist aufgebrochen worden, auf dem Boden gibt es deutliche Blutspuren, und alles weist auf ein ziemliches Handgemenge hin«, sagte Sohlman. »Wir müssen diese Suite ab sofort als Tatort betrachten. Welche Ausgänge gibt es von hier?«
Der Rezeptionschef zeigte ihnen eine Feuertreppe hinten im Gang. Die führte hinter dem Gebäude hinab auf den Hof. Von dort konnte man einfach auf die Straße weitergehen. Man konnte sogar mit dem Auto auf den Hof fahren.
Sohlman bestellte Verstärkung und blieb zur technischen Untersuchung. Knutas begann mit der Vernehmung der Hotelangestellten, und dann wurden die Gäste befragt, ob sie nachts etwas gehört oder gesehen hätten.
Als Knutas auf die Wache zurückgekehrt war, rief er sofort die Mitglieder der Ermittlungsleitung zu einer Besprechung zu sich. Alle wirkten überaus konzentriert und schienen Karins Ausbruch vergessen zu haben. Zum ersten Mal seit Langem spürte Knutas wieder die alte entspannte Stimmung in seinem Team.
Rasch teilte er die Details zu Hugo Malmbergs Verschwinden mit.
»Was können wir eigentlich über seine Beziehung zu Egon Wallin sagen?«, fragte Kihlgård.
»Sie haben gelegentlich zusammengearbeitet und haben sich bisweilen getroffen, wenn Wallin in Stockholm war, aber es ging wohl vor allem um Geschäfte, wenn ich das richtig verstanden habe«, sagte Knutas.
»Du meinst, die Tatsache, dass beide homosexuell sind oder waren, hat nichts mit der Sache zu tun?«, fragte Karin skeptisch. »Natürlich hat sie das. Es gibt mehrere Verbindungen zwischen den beiden. Den Kunsthandel. Stockholm und die Homosexualität. Das kann kein Zufall sein. Alle drei Berührungspunkte müssen zusammen etwas ergeben, das uns zum Mörder führt.«
»Suchen wir einen Schwulen aus der Stockholmer Kunstszene?«, fragte Kihlgård. »Dann ist die Auswahl immerhin begrenzt.«
»Vielleicht«, sagte Karin. »Oder vielleicht sollten wir uns auch nur auf die Homosexualität konzentrieren.«
»Wieso denn?«, widersprach Wittberg. »Wie kommt der Diebstahl des Bildes mit ins Spiel?«
»Da hast du recht. Dieses verflixte Bild. ›Der sterbende Dandy‹«, sagte Karin nachdenklich. »Will er uns etwas dadurch sagen, dass er sich gerade dieses Bild ausgesucht hat und kein anderes? Vielleicht hat es gar nichts mit Nils Dardel zu tun, sondern mit dem Motiv und dem Namen des Bildes? Ein Dandy ist doch ein Mann mit androgynen Zügen? Ein gut angezogener Snob, ein eleganter Geck, der sich in den feinen Salons bewegt? Das
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