Im Dunkeln der Tod
Pantoffeln und streifte den Morgenrock über. Aus der Minibar nahm er eine kleine Flasche Whisky, füllte ein Glas und setzte sich im Wohnzimmer seiner Suite auf das Sofa. Steckte sich eine Zigarette an und blies langsam den Rauch in die Luft.
Es würde verdammt schön sein, nach Hause zu kommen, dachte er, als er vor dem Fenster ein Geräusch hörte. Die Suite lag im zweiten Stock, aber genau unterhalb des Fensters verlief ein Dach. Das Haus war alt, und es waren über die Jahre die unterschiedlichsten Anbauten errichtet worden.
Er ging ans Fenster, öffnete die Vorhänge und schaute besorgt in die Dunkelheit hinaus. Von einer Straßenlaterne fiel trübes Licht auf die Straße, reichte aber nicht weit. Sicher war es Einbildung gewesen, oder vielleicht eine Katze. Er schloss die Vorhänge wieder, kehrte zum Sofa zurück und nahm einen langen Zug von seinem Whisky, der wunderbar in der Kehle brannte. Er erinnerte sich daran, dass er für Freitag zu einem größeren Fest ins Haus der Ritterschaft eingeladen war. Das würde nett werden. Er hatte viele Freunde im Adelsalmanach.
Wieder dieses Geräusch. Er fuhr zusammen und schaute auf die Uhr. Viertel nach zwei.
Rasch drückte er die Zigarette aus, sprang auf und löschte das Licht. Im Zimmer war es jetzt stockfinster. Dann schlich er ans Fenster, drückte sich an die Wand und wartete. Gleich darauf hörte er ein Klirren und einen leisen Knall. Jemand schien sich schräg über ihm zu befinden. Er wusste nicht, was er tun sollte, er wagte nicht, aus dem Fenster zu schauen, aus Angst, trotz der Dunkelheit gesehen werden zu können. Dann flackerte draußen ein Licht auf. Durch einen Spalt zwischen den Vorhängen sah er eine auf sein Fenster gerichtete Taschenlampe.
Mit angespannten Muskeln wartete er einige Minuten lang.
Dann folgte er einem Impuls und riss eine Tischlampe mit einem schweren Keramikfuß an sich. Drehte den Schirm ab, legte ihn vorsichtig auf den Boden und packte den Lampenfuß mit festem Griff. Das war die beste Waffe, die er finden konnte. Er stand neben dem Fenster in einer Zimmerecke, er hatte sich fast ganz hinter den schweren Vorhang zwängen können. Er konnte nur noch an Egons schreckliches Schicksal denken. Und daran, wie er bedroht worden war, durch den Zettel auf der Fußmatte und die geheimnisvollen Anrufe.
Ein eiskaltes Gefühl, dass es so weit war, füllte seinen Magen. Jemand wollte sich rächen, und jetzt war die Reihe an ihn gekommen.
Ein Pochen durchbrach die Stille. Jemand schien zu versuchen, das Fenster aufzubrechen. Offenbar wurde ein Stemmeisen verwendet. Das Holz gab nach. Behandschuhte Finger machten sich im spärlichen Licht zu schaffen. Sie öffneten die andere Fensterhälfte.
Dann wurde zuerst ein Bein und dann noch eins ins Zimmer gehoben. Eine hochgewachsene und dunkel gekleidete Person schob sich durch das Fenster und landete nur etwa einen Meter von ihm entfernt auf dem Boden. Der Mann hatte sich eine schwarze Strickmütze mit Augenlöchern über das Gesicht gezogen.
Hugo presste sich so eng an die Wand wie möglich und hoffte, dass der ungebetene Gast ihn nicht bemerken würde.
Die Zimmer der Suite waren im Kreis angeordnet. Vom Wohnzimmer aus konnte der Fremde nach links ins Schlafzimmer oder nach rechts in einen kleineren Aufenthaltsraum weitergehen. Für einige Augenblicke blieb der Maskierte still stehen, so nah, dass Hugo seinen keuchenden Atem hören konnte.
Die Dunkelheit schien undurchdringlich. Hugo betete in Gedanken, dass sein Geruch ihn nicht verraten würde. Vermutlich stank er nach Whisky und Zigaretten. Der Mann drehte sich um, und für einige entsetzliche Sekunden war Hugo davon überzeugt, dass sein Versteck entdeckt sei. Aber plötzlich schlich der andere sich zur Schlafzimmertür und wurde von der Dunkelheit verschluckt. Hugo ließ die Schlafzimmertür nicht aus den Augen. Hinter ihm lagen der kleine Aufenthaltsraum, die Diele und dann die Tür zum Hotelkorridor. Noch bestand eine Chance zur Flucht. Den hochgewachsenen Einbrecher zu überwältigen, traute er sich nun nicht mehr zu. Die Gedanken tanzten durch seinen Kopf, er hatte kein Gefühl mehr für die Zeit, er konnte nicht einmal schätzen, wie viele Sekunden schon vergangen waren.
In dem Moment, in dem er überlegte, ob er es wagen und zur Tür stürzen sollte, packte jemand sein Handgelenk. Der Lampenfuß fiel krachend zu Boden. Er schrie auf, doch es war ein lautloser Schrei. Als ahne er, dass es keinen Sinn mehr hatte.
AN DIESEM
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