Im Dunkeln der Tod
MITTWOCH saßen alle träge und mutlos bei der Morgenbesprechung. Knutas fand es geradezu lächerlich, wie die Stimmung sich geändert hatte, seit Karins Beförderung bekannt gegeben worden war. Sie und Thomas saßen jetzt so weit entfernt voneinander, wie nur möglich, und Lars Norrby schien alles und alle zu hassen. Karin hatte sich früher an diesem Morgen bei einem Kaffee darüber beklagt und gefragt, ob sie nicht einen zu hohen Preis bezahlte. Er konnte sie verstehen, mahnte sie aber zur Geduld. Norrby würde sich schon besänftigen, Wittberg sicher ebenfalls. Knutas nahm an, dass auch Wittberg Ambitionen gehabt und vielleicht selber mit einer Beförderung gerechnet hatte.
Man konnte eben nicht alle zufriedenstellen.
Jetzt sah Wittberg jedenfalls sauer aus, obwohl Knutas wusste, dass es ihm eigentlich sehr gut ging. Seine neue Freundin, die gar nicht mehr so neu war, war zu ihm gezogen, und das schien einen guten Einfluss auf ihn zu haben. Er wirkte gesünder und besser aufgelegt, als Knutas ihn je erlebt hatte. Deshalb ärgerte es ihn ganz besonders, dass der jüngere Kollege Karin ihren Erfolg nicht gönnte.
»Ich habe mich noch weiter über Rolf Sandén informiert, also Monika Wallins Liebhaber«, begann Wittberg. »Natürlich hat er für den Mordabend ein Alibi, das ist aber ziemlich schwach. Sein Kumpel, der behauptet, dass sie zusammen waren, kann doch lügen. Rolf Sandén wettet beim Pferderennen, und er hat ziemlich hohe Spielschulden. Er schuldet etlichen Leuten Geld.«
»Ach?«
Knutas runzelte die Stirn.
»Monika Wallin dagegen behauptet, nichts von Spielleidenschaft oder hohen Schulden zu wissen.«
»Okay, das liefert uns ein mögliches Motiv. Außerdem ist er ein ehemaliger Bauarbeiter. Mit anderen Worten: jede Menge Muskelmasse.«
»Aber er ist doch arbeitsunfähig?«, wandte Karin ein.
»Wegen seines Rückens«, fauchte Wittberg herablassend. »Aber er kann doch trotzdem viel Kraft haben.«
»Ja, aber dennoch«, beharrte Karin. »Kann man jemanden mit einem kaputten Rücken wirklich so weit hochhissen?«
»Aber Herrgott«, seufzte Wittberg. »Deshalb können wir ihn doch nicht einfach vernachlässigen?«
Er schüttelte den Kopf, als habe er seit ewigen Zeiten keine solche Dummheit mehr gehört.
»Genau«, stimmte Norrby zu. »Er kann den Rückenschaden ja auch vorgetäuscht haben. So was kommt schließlich dauernd vor. Aber in deiner Welt gibt es vielleicht keine Sozialschmarotzer?«
Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. Norrby und Wittberg wechselten einen vielsagenden Blick.
Ohne Vorwarnung sprang Karin auf, und ihr Stuhl kippte dabei um. Sie starrte Wittberg, der verdutzt und erschrocken aussah, wütend an.
»Jetzt reicht es, verdammt noch mal!« Karin durchbohrte ihren Kollegen mit Blicken. »Du kleinlicher, neidischer Arsch! Ist dein verdammtes Ego so winzig, dass du mir meinen kleinen Erfolg nicht gönnen kannst? Wir arbeiten jetzt seit Jahren zusammen, Thomas – und ich schufte hier doppelt so lange wie du. Was hast du dagegen, dass ich zur stellvertretenden Chefin ernannt werde? Sag es jetzt endlich – los!«
Ohne auf Antwort zu warten, wandte sie sich dann Lars Norrby zu.
»Und du bist um nichts besser. Hackst hier auf mir rum, als ob ich diesen Entschluss gefasst hätte. Wenn du dich unbedingt beklagen willst, dann geh zu Anders und quengel bei dem, aber lass mich endlich in Ruhe. Ich hab euch beide so verdammt satt. Jetzt ist Schluss damit – ist das klar?«
Karins Wutausbruch endete damit, dass sie ihren Stuhl aufhob und mit einem Knall gegen die Wand schob. Dann stürzte sie aus dem Zimmer und knallte hinter sich mit der Tür.
Ehe irgendwer etwas sagen konnte, klingelte Knutas’ Telefon.
Nach diesem Gespräch sah er überaus mitgenommen aus.
»Das war das Hotel Wisby. Gestern Morgen ist Hugo Malmberg dort eingetroffen. Er wollte zu Egon Wallins Beerdigung und danach im Hotel übernachten. Heute hat er nicht ausgecheckt, er hat den gebuchten Flug nicht genommen, und als das Personal vorhin in seinem Zimmer nachgesehen hat, waren seine Sachen noch dort, das Fenster war aufgebrochen worden, und auf dem Boden gab es Blutspuren.«
»Und Malmberg?«, fragte Kihlgård.
»Verschwunden«, sagte Knutas und griff nach seiner Jacke, die er über eine Stuhllehne geworfen hatte. »Verschwunden.«
DAS ALTEHRWÜRDIGE HOTEL WISBY lag in der Strandgata am Donners Plass beim Hafen. Die Stimmung in der Rezeption war nervös, als Knutas, Kihlgård, Sohlman und Karin eine
Weitere Kostenlose Bücher