Im Dunkeln sind alle Wölfe grau
auf der Polizeiwache machen, um dich bei späteren Gelegenheiten damit zu überraschen: bei greller Beleuchtung, von vorn und von der Seite. Du siehst aus, wie die meisten Leute auf Paßbildern aussehen. Der einzige Unterschied ist, du stehst tatsächlich im Verbrecheralbum.
Johan Olsen, auch Stauer-Johan genannt, hatte ein längliches, pferdeartiges Gesicht, dem von Harald Wulff ganz und gar nicht unähnlich. Aber seine Ohren waren kleiner und die Augen lagen weit auseinander. Er war unrasiert, und es lag ein bitterer, ein wenig hämischer Zug um den Mund mit den schmalen Lippen.
»Hier ist die Beschreibung«, sagte Hamre und gab mir ein Papier. Ich las es rasch durch. Johan Olsen war 1,76 groß, seine Augen waren blau und das Haar dunkelblond gewesen. Abgesehen von einer alten Verletzung am linken Knie, die ihn hinken ließ, hatte er keine besonderen Kennzeichen.
Ich las den letzten Satz zum dritten Mal, um ganz sicher zu gehen, daß er da stand. Dann blickte ich Hamre starr in die Augen, während sich in meinem Magen ein unruhiges Kribbeln breitmachte. »Ich kann gut verstehen, daß sich Hjalmar Nymark für das hier interessierte«, sagte ich.
»Woran denkst du dabei?«
»Hast du denn nicht gelesen? Stauer-Johan hinkte auf dem linken Bein. Das gleiche tat Harald Wulff. Und Harald Wulff verschwand – sozusagen – genau gleichzeitig mit Stauer-Johan. Im Januar 1971.«
9
»Ich hab die Papiere über Harald Wulff hier«, sagte Hamre und suchte eine neue Akte hervor. Sie war etwas fülliger als die andere. Er stieß mit dem rechten Zeigefinger in die dritte Akte, die wiederum mehr als doppelt soviel enthielt wie die beiden anderen zusammen. »Und hier, der Brand bei Pfau. Sogar den hab ich herausgesucht.« An der Innenseite der Pfau-Akte waren Spuren von Spinnengewebe. Wenn er sie anstieß, stand eine Staubwolke im Raum. »Wie du siehst, führen wir gründliche Ermittlungen durch.«
»Das bezweifle ich nicht.«
»Dann ist es ja gut. Also …« Er öffnete die Akte mit dem
Material über Harald Wulff. Die vergilbten Gerichtsprotokolle des Landesverratsprozesses nach dem Krieg überblätterte er rasch. Sie waren mit Kopien von Verhören zusammengeheftet. »Das hier ist alter Stoff«, murmelte er. »Aber hier …« Der letzte Abschnitt von Harald Wulffs Leben war mit großen Büroklammern zusammengeheftet. Er öffnete einen braunen Umschlag, aus dem er eine Handvoll Fotografien herauszog. Mit neutraler Miene sah er sich die Bilder an. Dann gab er sie mir.
Die Fotos von Harald Wulff waren nicht schön. Auf dem einen lag er nackt auf dem Rücken, und das Bild zeigte, daß der ganze Körper voller blauer Flecken und blutender Stellen war. Er hatte eine ordentliche Portion Prügel bezogen. Aber man brauchte gar nicht seinen Körper anzusehen, um das zu erkennen. Das Schlimmste hatte der Kopf abbekommen. Das Gesicht war zertreten. Mit einer Brutalität, die alles, was ich bisher gesehen hatte, übertraf, hatte jemand seine Gesichtszüge zu einer undefinierbaren Masse von Knochen, Knorpel, Hackfleisch und Blut verwandelt. Das struppige Haar war vom Blut verklebt und der eine Arm war offensichtlich gebrochen. Knochenreste stachen aus dem Unterarm, und die Finger spreizten sich.
Die anderen Fotos waren Nahaufnahmen, einige davon so, daß sich mir der Magen umdrehte. Eines zeigte einen Ring, den er am linken Ringfinger getragen hatte. Das Muster darin war deutlich erkennbar: ein Sonnenkreuz.
Drei-vier Fotos zeigten aus verschiedenen Winkeln, wie die Leiche ausgesehen hatte, als man sie fand. Sie lag auf dem Schotter, umgeben von schmutzigen Schneeresten, und auf einem erahnte man ein paar Hafenschuppen aus Holz, auf einem anderen schwarze, blattlose Bäume.
Ich legte die Bilder zurück auf den Schreibtisch. »Nicht gerade etwas für die Sonntagsschule«, sagte ich. »Wie haben sie es geschafft, ihn zu identifizieren?«
Hamre blätterte in den Papieren. »Da war eine Frau, die mit ihm zusammen wohnte. Äh … Elise Blom.«
Ich nickte, den Namen wiedererkennend. »Sie arbeitete bei Pfau.«
Er sah von den Papieren auf. »So? Ja, genau, das tat Harald Wulff ja auch. Als Bürobote, nicht?«
»Doch!«
Er fuhr fort: »Also, Elise Blom identifizierte ihn.«
»In diesem Zustand?«
Er betrachtete mich nachsichtig. »Eine Frau, die …« Ein erneuter Blick in die Papiere. »… zwölf Jahre mit ihm zusammengelebt hatte. Da gibt es andere Merkmale, als die, die wir im Gesicht mit uns herumtragen, Veum.«
»Ja, schon. Ich dachte
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