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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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derselbe alte Ausblick auf dasselbe alte Bankgebäude. Ich hatte in einer Reihe solcher Büros gesessen: meistens waren es Räume, aus denen man sich schnell wieder hinauswünschte.
    Sein Schlipsknoten war eine Spur ausgelassen, sonst war Jakob E. Hamre tadellos wie eh und je. Das hübsche Gesicht starrte mir ruhig und unergründlich entgegen; das dunkle, gut geschnittene Haar fiel wohlberechnet von der rechten Seite in die Stirn. Es war eine Eleganz an Jakob E. Hamre, die andeutete, daß er eigentlich auf die andere Seite der Straße gehörte: Der liebenswürdige Kreditchef, der mit betrübter Miene dein Kreditgesuch abschlägt.
    »Wie steht’s mit ihm?«
    »Er macht sich. Es ist möglich, daß wir heute mit ihm sprechen können – später.«
»Und die, oder der in dem Wagen?«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Nichts. Natürlich kommen die gewöhnlichen Zeugenaussagen rein, aber wenig Konkretes. Eine alte Dame meint, einen blauen Lieferwagen gesehen zu haben, der mit einem Mann hinter dem Steuer geparkt stand, aber sie hat ihn nicht näher angesehen und und sie ist außerstande, etwas zu liefern, was auch nur annähernd einer Personenbeschreibung gliche. – Die Untersuchung der Fingerabdrücke ist vorläufig ergebnislos. Wir arbeiten mehr mit dem Wagen selbst, natürlich, aber …«
»Wem gehörte der Wagen?«
»Einem Sportgeschäft. Er wurde nachmittags nie benutzt.«
»Was ist mit den Dingen, die ich erwähnt habe?«
Hamre lehnte sich in seinem Stuhl zurück, legte die Hände auf die Kante des Schreibtisches und betrachtete sie einen Moment lang, als überlege er, ob die Nägel kurz genug seien. Darauf sah er grübelnd vor sich hin und sagte: »Ich habe mich ein bißchen umgehört – hier im Haus. Hjalmar Nymark war in vieler Hinsicht ein ausgezeichneter Polizist. Aber er hatte einen grundlegenden Fehler. Er hatte die Neigung, sich bei einigen Fällen, mit denen er arbeitete, ein bißchen zu persönlich zu engagieren. Das war nicht immer so glücklich. Und speziell gegen Ende seiner Zeit hier hatte er dann ein paar Steckenpferde, auf denen er dauernd herumritt. Eines dieser Steckenpferde war der Brand bei Pfau.«
Er machte eine ausladende Handbewegung und sah mich resigniert an.
»Aber wer zum Teufel schert sich um zwanzig Jahre alte Industriebrände, wenn wir kaum genügend Kapazität haben, um die täglich anfallenden Aufgaben zu bewältigen?«
»Aber was ist mit dem anderen Fall? Was ist mit StauerJohan?«
Er seufzte. »Das ist der letzte Fall, mit dem Hjalmar Nymark arbeitete, bevor er ausschied. Auch der wurde zu einer fixen Idee bei ihm.«
»Wieso?«
Hamre sah aus dem Fenster. »Wie viele solcher Fälle haben wir im Jahr? Irgendwelche losen Vögel in dieser Stadt verschwinden. Einige von ihnen haben nichts weiter getan, als den Zug nach Oslo zu nehmen. Andere finden wir nach ein paar Wochen oder Jahren, im Meer treibend. Manche haben sich zu Tode gesoffen oder liegen irgendwo in einer kümmerlichen Bude, bis jemand anfangt, sie zu vermissen. Und einige werden natürlich erschlagen: es ist ein hartes Milieu, in dem sie sich herumtreiben. Solche Fälle sind häufig und sie kommen auf der Prioritätenliste selten nach oben. Jedenfalls nicht, bevor etwas Konkretes festgestellt worden ist. Stauer-Johan war ein solcher Fall.«
»Erzähl!«
Er suchte eine Ermittlungsakte aus dem Haufen links auf dem Schreibtisch und blätterte darin. »Johan Olsen, geboren 1916 in Bergen. Ehemaliger Seemann und Hafenarbeiter. Illegale Tätigkeit während des Krieges. Alkoholiker. Eine Strafe für Herumtreiberei, 1960, sonst ein leeres Strafregister. Er verschwand im Januar 1971, wurde aber erst im Februar als vermißt gemeldet.«
»Wer meldete ihn als vermißt?«
»Eine Frau. Olga Sørensen, seine – periodenweise – Lebensgefährtin, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen.«
»Und warum meldete sie sein Verschwinden erst im Februar?«
Er zuckte mit den Schultern. »Sie hatte wohl damit gerechnet, daß er nur wieder auf der Piste war.«
»Und das Resultat der Ermittlungen?«
Er überblätterte ein paar Seiten, während er murmelte: »Er wurde nie gefunden. Formal betrachtet gilt er nach wie vor als vermißt. Aber vielleicht lebt er in schönster Wonne … auf den Kanarischen Inseln oder sonstwo, wo Sonne und Schnaps leichter zugänglich sind, als in unseren Breiten.«
»Gibt es ein Bild von ihm? Eine Beschreibung?«
Er blätterte weiter durch die Akte, zog ein Foto hervor und reichte es mir. Es war ein Foto, wie sie es

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