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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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mit Glas in der oberen Hälfte getrennt. Draußen vor den Glasfenstern sah ich geschäftige Menschen in Weiß vorbeihasten.
    Keiner von ihnen würdigte mich auch nur eines Blickes. Solange nicht ich mich an jemanden wandte, ließ man mich in Frieden sitzen. Vielleicht war das genauso, wenn man Patient war. Wenn du zu niemand etwas sagtest, sondern nur einfach liegenbliebst, wo sie dich hinschoben, würde niemand dich stören, bis man irgendeines Tages entdeckte, daß ein Haufen Fliegen auf dir saß.
    Hauptwachtmeister Jakob E. Hamre guckte durch die Scheibe in der Tür, bevor er anklopfte und zu mir hereinkam. »Dachte ich’s mir doch«, sagte er. »Dein neues Büro, was,
    Veum?«
»Friedlicher kann ich’s nicht kriegen«, antwortete ich. »Nimm
    Platz. Kann ich dir was anbieten? Ein Glas Naphta? Eine Dosis Valium? Oder was fürs Herz?«
    Er sah mich prüfend an und setzte sich auf einen freien Stuhl, ein halbes Lächeln um den Mund. »Immer noch der alte, Veum? Nichts hinterläßt seine Spuren, was?«
    »Oh doch, aber nur innerlich.«
Jakob E. Hamre war tadellos gekleidet, in hellem doppelreihigem Trenchcoat über grauem Anzug, schwarzen Schuhen,
    hellblauem Hemd und dunkelblauem Schlips. Er war ein paar Jahre jünger als ich, aber dem Aussehen nach konnten es durchaus zehn sein, und er war um viele Jahre hübscher. Jakob E. Hamre gehörte zu jenen Polizisten, die einen an Pfadfinderjungs erinnern, aber schlau sein können wie alte Zuhälter. Er war auf eine leicht unpersönliche Weise sympathisch: ein Typ, wie ihn sich alle Schwiegermütter wünschen, mit dem aber die wenigsten Töchter zufrieden wären.
    »Ich hab deine Nachricht erhalten«, sagte er, »und bin gleich selbst vorbeigekommen. Weißt du etwas?« Kr blickte fast irgendwie schüchtern auf seine Fußspitzen hinunter, bevor der Blick nach oben kam und an meinem Gesicht hängenblieb, fest und wach.
    »Habt ihr den Wagen gefunden?« fragte ich.
     
    Er nickte. »Er stand direkt draußen in der C. Sundsgate und war allem Anschein nach gestohlen.«
    »Hm. Also, Hjalmar Nymark und ich, wir waren einfach Freunde, kann ich wohl sagen. Oder Bekannte. Ich kannte ihn noch nicht lange, aber wir waren ins Reden gekommen, und wir hatten ja auch so einige Anknüpfungspunkte.«
    »Was meinst du?«
»Als Detektive, beide. Er sprach viel von früheren Fällen.« Er beugte sich interessiert vor. »Willst du damit sagen, daß
    Hjalmar Nymark sein Rentnerdasein damit verbrachte, in alten Kriminalfällen herumzuwühlen?«
    Ich nickte langsam. »Ich weiß nicht, wieviel er darin gewühlt hat, aber er beschäftigte sich jedenfalls damit. Wie geht es ihm? Weißt du was?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bekam Bescheid, zu warten. Sie haben ihn jetzt gerade auf dem Tisch da drinnen. – Was für Fälle waren das, von denen er sprach, Veum?«
    »›Giftratte‹, ein Typ, den sie ›Giftratte‹ nannten, sagt dir das was?«
Er schüttelte verneinend den Kopf.
»Der Brand bei Pfau denn?«
In seinen klaren Augen blitzte es auf. »Ganz vage.«
»Tja, mir sagte es auch nichts. ›Giftratte‹ war ein berüchtigter Denunziant aus der Kriegszeit. Es wurde nie aufgedeckt, wer er wirklich war. Pfau war eine Farbenfabrik im Fjøsangervei, die 1953 abbrannte. Fünfzehn Leute kamen ums Leben, und ein Mann, den Hjalmar Nymark verdächtigte, ›Giftratte‹ zu sein, war als Bürobote dort angestellt, als es passierte.«
»Wie hieß er?«
»Harald Wulff.« Er hatte ein Notizbuch hervorgeholt und schrieb den Namen auf. Ich setzte hinzu: »Aber er ist tot.«
»So?« Er hörte auf zu schreiben und sah vor sich hin.
»Erzähl mir, wovon habt ihr heute gesprochen?«
»Von diesem Typen – ›Giftratte‹. Er … Er wirkte nervös, als sei jemand hinter ihm her. Aber er schob es auf den Schnaps. Wir haben gestern eine Flasche zusammen getrunken, er und ich.«
»So?«
»Und als er ging … Ich saß direkt bei den Fenstern zur Seitenstraße hin, als es passierte. Ich hab es gehört: den aufheulenden Motor, die kreischenden Bremsen, und dann – das Geräusch seines Körpers als er auf dem Boden aufschlug.«
Wieder beugte er sich nach vorn. »Mit anderen Worten es kann also kein Unfall gewesen sein?«
»Verdammt nochmal, nein! Irgendwer hat ihn umgefahren, Hamre, und das mit Absicht.«
»Warum?«
Ich zuckte mit den Schultern und warf die Hände in die Luft.
Er sagte: »Ein Kriminalbeamter macht sich schon ein paar Feinde im Laufe seines Lebens. Vielleicht war es so jemand, der Hjalmar Nymark da

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