Im Dunkeln sind alle Wölfe grau
eigenes Büro.«
»Ahso.«
»Und dann wir.«
»Und wer war,wir’?«
»Wir im äußeren Büro.«
»Du warst Sekretärin bei Hellebust, stimmt’s?«
»Nein, stell dir vor, das war ich nicht. Ich war Bürogehilfin und übernahm Arbeit sowohl für den Verkaufschef als auch für Frau Bugge. Fräulein Pedersen war Hellebusts Sekretärin, Privatsekretärin hieß es sogar.«
Plötzlich strahlte sie auf. »Und Fräulein Pedersen ist tot.« Mit triumphierender Miene fuhr sie fort: »Sie starb nur ein paar Jahre nach dem Brand. Sie hob all ihre Ersparnisse ab und ging nach Spanien, aber da unten bekam sie irgendeine mysteriöse Krankheit, was sie da unten eben so haben, und schaffte es gerade noch, nach Bergen zurückzukommen, bevor sie starb. Ich war im Krankenhaus und hab sie besucht.« Sie hielt mit überraschter Miene inne, als wunderte es sie, im Laufe einer knappen Minute so viel Informationen von sich gegeben zu haben.
Die Kellnerin kam mit unseren Hamburgern. Die Scheiben waren durchweicht von Fett und fielen, wenn du sie durchschnittst, zum Teil auseinander, aber das Fleisch war eßbar und die Salatblätter tatsächlich knackig.
Zwischen zwei Bissen sagte ich: »Es war doch noch jemand angestellt, oder nicht?«
Sie sah mich feindselig an. »Wer denn?«
»War da nicht ein Bürobote? Ein …« Ich tat, als würde ich nachdenken. »Harald Wulff?«
Wieder leuchtete es höhnisch aus ihren Augen. »Ohja, der. Den hätte ich fast vergessen.« Dann senkte sie den Blick und aß stumm weiter.
Hinter ihrem Rücken sah ich das Orchester die Tribüne verlassen, um Pause zu machen. Die Parkettlöwen ergriffen die Gelegenheit, um zur Toilette zu stürmen. Es sah fast aus wie eine Art Epidemie.
Ich aß auf und schob den Teller zur Seite. »Hör zu … An einem der letzten Tage vor dem Brand. War es nicht so, daß der Vorarbeiter, Holger Karlsen, heraufkam und darüber klagte, daß, wie er glaubte, irgendwo in der Produktionshalle eine Leckage sei?«
Sie sah nicht vom Teller auf und schnitt ihr Brot in winzige Stückchen, wie um die Mahlzeit so lange wie möglich auszudehnen, und antwortete nicht, schüttelte aber bestimmt und verneinend den Kopf.
Ich beugte mich über den Tisch vor und versuchte, ihren Blick heraufzuziehen. »Nein?«
Sie hob das Gesicht. Die Zungenspitze glitt über das Zahnfleisch, um Krümel aufzusammeln und sie sah mir starr in die Augen, als sie sagte:
»Genau danach bin ich gefragt worden, wieder und wieder nach dem Brand. Und meine Antwort ist noch immer die gleiche. Nein. Es ist niemand gekommen und hat sich über sowas beschwert, und schon gar nicht Holger Karlsen.«
Ich machte eine entwaffnende Armbewegung. »Es ist bald dreißig Jahre her. Niemand wird sich darum scheren, die Sache weiter zu verfolgen, wenn du … Wenn du bloß die Wahrheit sagen könntest.«
Einen Augenblick lang sah ich, daß sie unsicher war, welche Reaktion sie wählen sollte. Eine Sekunde lang oder zwei war das Gesicht entblößt, in einem Ausdruck, der an jemanden erinnern konnte, der gelaufen und gelaufen war und nun endlich einsah, daß der Lauf verloren war. Dann schob sie den Stuhl hart zurück und stand abrupt auf. »Ich habe immer die Wahrheit gesagt! Und ich werde mich verdammt nochmal nicht damit abfinden, so überrumpelt zu werden von einem – einem …« Sie ließ den Blick verächtlich an mir herabgleiten, um zu unterstreichen, daß sie keine Worte dafür fand, was ich für einer war.
Ich erhob mich selbst und fühlte Wut in mir aufflammen. Die Leute in der Nähe begannen, auf uns aufmerksam zu werden: einer der Charmeure am Nebentisch drehte den Ton des Hörgeräts lauter und bekam einen auffallend konzentrierten Gesichtsausdruck. Ich sagte mit leiser, gepresster Stimme: »Setz dich wieder hin. Wir sind nicht fertig. Noch nicht. Du hast immer noch was gut, z.B. mir von Harald Wulff zu erzählen. Oder willst du, daß der ganze Laden die Geschichte hört, während wir rausgehen? Wirf einen Blick auf den smarten Jungen da drüben, mit dem Regionalfunk hinter dem Ohr.«
Sie erbleichte und setzte sich schwer hin. Das war ein unbarmherziger Ausfall gewesen, und anständige Männer schlugen Frauen nicht unter die Gürtellinie. Aber sie war so minimal mitteilsam gewesen, und ich sah noch immer Hjalmar Nymark vor mir, auf dem Bett ganz hinten in der dunklen Wohnung liegend, das Kopfkissen auf dem Boden. Und dann eine Pappschachtel voller alter Zeitungsausschnitte, die plötzlich spurlos verschwunden war.
Ich setzte mich hin und
Weitere Kostenlose Bücher