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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Halblächeln, die in den unteren Gesichtshälften der Parkettlöwen flackerten, verrieten einen ungetrübten Glauben an die eigene Vortrefflichkeit, und die auffälligen Handbewegungen in Richtung der schwellenden Hinterteile der weiblichen Partner sollten eine Weltgewandtheit andeuten, die wahrscheinlich verschwinden würde, wenn man sich zu gegebener Zeit vorsichtig aus der Unterwäsche pellte. Auf dem Tanzboden traten sie noch als betörende Don Juans auf; im Schlafzimmer, so nahm ich an, trugen sie Zipfelmützen auf allen herausragenden Körperteilen. Es lebe der ewige Vorsprung im Leben! Zum Ziel kommst du immer zu spät.
    Die Gesichter an den Tischen um uns herum spiegelten verschiedene Grade von Blässe, für einen Augenblick mit einem Glanz von Heiterkeit, aber mit der Gewißheit der eigenen Sterblichkeit als einem verborgenen Muster hinter den angestrengten Lächeln der Gesichtsmasken und der geschminkten Verzweiflung. Die Männer verbargen ihre Ratlosigkeit hinter einer aufschneiderischen Eleganz, die nie ganz geglückt wirkte, weil der Schlips schiefhing, das Taschentuch in der Brusttasche Eselsohren hatte und die Hose waagerechte Falten über den Knien. Die Frauen ihrerseits tarnten sich durch ausgefranste Kleider oder versuchten, durch Dekolletés zu verwirren, die an der Fleischbörse in Chicago solide Erfolge erzielt hätten. Und als passende Geräuschkulisse für den visuellen Eindruck spielte das Zweimann-Orchester eine ärmliche Version von: ,Wenn bei Capri … ’, so mechanisch in der Instrumentierung und so freudlos im Rhythmus, daß sie eine seltsame Assoziation von einem der dunkelsten Bethäuser des Hinterlands auslöste, wo sie zum Festsoupee am Karfreitag einen Gesang anstimmten.
    Aber als Elise Blom und ich uns zu einem freien Tisch mit Fensterplatz hinschlängelten, hatte ich das bedrückende Gefühl, daß wir nicht auffielen. Wir gehörten hierher, genau wie auf den Gehsteig draußen vor dem Bingo-Lokal. In einer Diskothek wären wir aufgefallen wie zwei Dinosaurier in einer Katzenschau. Hier waren wir unter Unsresgleichen.
    Wir hatten unsere Mäntel in der Garderobe abgehängt. Der enge Pullover unterstrich die Üppigkeit ihres Körpers, aber der breite Gürtel war gerade so stramm, daß er den Eindruck ein wenig zerstörte. Etwas vom Soft-Eis lief über.
    Eine Kellnerin in rosa Jacke nahm unsere bescheidene Bestellung entgegen: für jeden ein Bier und einen Hamburger.
Das Halbdunkel im Raum war dafür berechnet, die Konturen der Gesichter weicher zu machen und es zu erleichtern, sich mit ihnen abzufinden. Bei Elise Blom hatte es die entgegengesetzte Wirkung. Das Konturlose wurde hervorgehoben, und der aggressive Ausdruck in den Augen erhielt noch einen unversöhnlichen Glanz von Irritation.
Ich sagte leichthin: »Bist du oft hier?«
»Was geht dich das an?« fauchte sie.
»Nichts.«
»Eben!«
Ich seufzte und sah an ihr vorbei. Direkt bei unserem Tisch beugte ein Parkettcharmeur mit Fettglanz auf dem Vollmond seine Tanzpartnerin gefühlvoll hintenüber zum Boden – eine Operation, die er von Rudolph Valentino gelernt haben mußte – während er ihr verzückt in die Augen starrte, um zu sehen, ob er sein eigenes Spiegelbild darin entdecken konnte. Seine Partnerin hing hintenüber mit einer Miene, als glaubte sie nicht daran, jemals wieder hochzukommen. In ihrem Ausschnitt war eine veritable Lawine im Anrollen. Ich schloß die Augen, um davon nicht mitgerissen zu werden, aber zum Glück kam die Kellnerin mit unseren Bieren, und das Paar wurde gezwungen, sich wieder aufzurichten.
Elise Blom nahm einen Schluck aus dem Bierglas und stellte es mit einer erregten Bewegung auf den Tisch. Etwas vom Bierschaum blieb an ihrer Oberlippe hängen, wie ein vergessener Wattebausch.
Ich steckte einen Finger in den Hemdkragen und führte ihn langsam herum, bevor ich mich wieder heranwagte. »Als du bei Pfau gearbeitet hast … Wart ihr viele in der Verwaltung?«
Sie sah mich kühl an. »Warum fragst du danach?«
»Um eine Übersicht über die Situation zu bekommen.«
»Welche Situation?«
»Die Arbeitssituation.«
Sie betrachtete mich nachdenklich. Dann sagte sie langsam: »Da war der Direktor, Hagbart Hellebust selbst.«
»Ja, und sonst?«
»Dann war die Verkaufsabteilung. Eine ganze Menge Verkäufer, aber die reisten ja meistens herum. Der Verkaufschef hieß Olsen, aber der reiste auch.«
»Jaha.« Endlich sah es so aus, als kämen wir in Gang.
»Dann war da die Buchhalterin, Frau Bugge. Sie hatte ein

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