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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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gesagt hatten, sagte ›Faßband‹: »Ich würd dir empfehlen, ’s mal bei der Unteroffiziersschule zu versuchen. Ich weiß nich, ob du dich an den Professor erinnerst?«
Ich nickte.
»Er is oft mit ihm zusammen.«
Ich schob den Zehner in die Brusttasche seiner graubraunen Tweedjacke und dankte für die Auskunft. Er hatte einen grünen Wollschal um den Hals, und das aufgedunsene Gesicht erstrahlte in einer Art Lächeln, während er den Zehner aus der Brusttasche fischte und ihn, von der Hand bewacht, in die rechte Hosentasche rettete.
»Und dann ist da eine, die Olga heißt«, fuhr ich fort. »Die, die mit Stauer-Johan zusammen war, wenn ihr euch an den erinnert.«
›Faßband‹ bekam einen nachdenklichen Blick.
»Der Johan, ja. Wer erinnert sich nich an den. Der kam doch zum Schluß auch inne Zeitung.«
»Lebt sie noch?«
»Die Olga, klar. Die hängt auch da draußen in Sandviken rum. Mal hier, mal da. Meist isse alleine, aber ich könnt mir denken, daß ›Brandstelle‹ weiß, wo se zu finden is. Hat ’ne Wohnung da draußen irgendwo. Hat’s nich gut verkraftet, das mit’m Johan. Is nich mehr die alte seitdem.«
Ich tastete mich vor. »Weißt du was davon, was damals passiert ist, mit Stauer-Johan?« Ich ließ den Blick durch die Runde gleiten. »Ihr vielleicht?«
Die Gesichter verschlossen sich und wurden wie die der drei Affen: sahen nichts, hörten nichts, wußten nichts. Sie schüttelten die Köpfe.
»Nich mehr, als was inner Zeitung stand«, sagte ›Faßband‹. »Er hat sein Teil abgekriegt, der Johan.«
Ich stutzte. »Hat sein Teil abgekriegt, was meinst du?«
»Ja, ich mein …« Er sah mich verwirrt an. »Er is doch abgetaucht. Verschwunden.«
»Ja, aber wohin denn?«
Er wandte den Kopf zur Seite und starrte hinaus über Vågen. »Das Meer da draußen, das verbirgt viele Geheimnisse, Veum. Das kann ich dir versprechen.«
Ich trat dicht an ihn heran. »Weißt du etwas?«
Er schüttelte schwer den Kopf. »Aber wir denken uns doch unser Teil, nich? Und wenn welche von uns verschwinden, dann geh’n wir meist ins Meer. Das is doch bloß natürlich. Wir sind doch immer hier, um den Hafen rum. Ein kleiner Schritt zu weit raus, ins Dunkle, schon liegs de da und strampeis. Haste zuviel getankt, dann gehört gar nich viel dazu, bis de ohnmächtig wirs oder einfach sinks. So is das Leben, Veum. Goodby and farewell.«
»Jemand von den anderen? Erinnert ihr was?«
Sie schüttelten unisono die Köpfe. Ich holte einen neuen Zehner hervor. »Ich kann bezahlen.«
Sie sahen lange auf den Geldschein. Er schmeckte nach Pils. Einer von ihnen stotterte: »Da war mal Gerede … Du weißt, der Johan, der war bei der ,Hjemmefront’ im Krieg. Ich weiß noch, wie die Olga erzählte, einmal, daß sie Besuch gekriegt hätte, kurz bevor der Johan verschwunden is, von einem, der Leiter von seiner Gruppe war, damals, im Krieg.
Und daß die Olga rausgehn mußte, als die beiden miteinander geredet haben. Se hat geglaubt, daß sie irgendwas geplant haben, aber dann war der Johan verschwunden – und das wars dann.«
Ich starrte auf das große, blaurote Gesicht vor mir. Das Haar war gelblich, die Augen hellbraun, die Nase klumpig wie eine mißgebildete Kartoffel. Ich sagte tonlos: »Einer, der seine Gruppe geleitet hatte … Du weißt nicht – sie nannte keinen Namen?«
Er druckste herum, starrte auf den Zehner. Ich verstand, daß der Zehner nach einem Namen rief, aber ich wollte nicht irgendeinen lose aus der Luft gegriffenen haben. Ich gab ihm den Schein und fragte: »Er hieß nicht Fanebust? Konrad Fanebust?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nich mehr. Ehrlich gesagt.«
,Faßband’ meinte: »Das kannste doch die Olga fragen. Vielleicht weiß die das.«
Ich nickte langsam und zustimmend. »Vielleicht weiß sie es«, wiederholte ich nachdenklich.
Dann hob ich die Hände zu einer Art Gruß, steckte die Fäuste in die Manteltaschen und machte mich, an Bryggen entlang, auf den Weg nach Sandviken.
27
    Der Professor saß allein auf dem runden Platz vor der Unteroffiziersschule, wie sie immer noch genannt wurde, obwohl es seit vor dem letzten Weltkrieg in Bergenhus keine Schule für niedere Dienstgrade mehr gegeben hatte. Er hatte den Wintermantel fest zugeknöpft, trotz des warmen Wetters. Die Wangen waren füllig, die Nase krumm und die Augen hinter den dicken horneingefaßten Brillengläsern groß und scharf. Der Kopf schien auf den Schultern zu ruhen, was ihm ein eulenartiges Aussehen gab. Aber das war nicht der Grund,

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