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Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Im Dunkeln sind alle Wölfe grau

Titel: Im Dunkeln sind alle Wölfe grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Arbeiter, damals, und was is aus mir geworden? Es hat viele Jahre gedauert, bis ich überhaupt soweit in Ordnung war, wie ich jetzt bin. Die ersten Jahre war ich nur ’ne wässernde Fleischwunde aus mißglückten Hauttransplantationen. Mein Leben kaputtgemacht hat’s – und ich erinner mich, Veum – und ich weiß das!« Er griff halbblind nach einer Flasche und nahm einen ordentlichen Schluck. »Komm nich hier an und erzähl mir alte Kamellen.« Nach einem erneuten Schluck sagte er, plötzlich ruhiger: »Was willste wissen?«
Die anderen drei waren stumm. Sie hörten zu. Eine Möwe flog tief über uns hinweg und schrie dünn und heiser, wie zur Erinnerung an eine böse Vergangenheit.
»Ich … Ich möchte gern, daß du – daß du mir nur von dem Brand erzählst. Vom Brand, so wie du ihn erinnerst, wie alles passierte.«
Er wiederholte leise: »Der Brand – wie alles passierte …«
28
    »Am Tag, als es brannte … Ich sehe die Produktionshalle noch wie heute vor mir, als ob ich mittendrin stünde. Zwei Etagen hoch, um die Fallhöhe auszunutzen. Die Farbe wurde in Riesentanks hergestellt, mit mehreren Räumen drin. In jedem Stockwerk wurden neue Stoffe beigemischt und neue Prozesse in Gang gesetzt. An jedem Absatz gab es ’ne große Anzahl Kontrollscheiben, Skalen, Konzentrationsmesser und so weiter.«
    Sein Blick ging in die Ferne und wir anderen saßen stumm da. »Ganz unten lagen die Tanks, wo die fertige Farbe gemischt wurde, bevor sie zur Zapfstation rausging, wo die leeren Eimer auf dem Fließband reinkamen, gefüllt und in Kartons gesetzt
    wurden, die dann wieder zur Auslieferung transportiert wurden.«
    Ich sah in das verunstaltete Gesicht und versuchte, es mir 1953 vorzustellen. Olai Osvold war damals ungefähr dreißig Jahre alt gewesen, nicht besonders kräftig, aber klein und drahtig und sicher ein guter Arbeiter. Die Oberarme waren massig, auch jetzt noch und er hatte sicher ordentlich zupacken können. Aber das Gesicht … Hatte er gut ausgesehen? Glattrasiert? Vielleicht ein kleiner Schnauzbart? Und das Haar, welche Farbe hatte es gehabt? Blond? Hell? Dunkel? Das war unmöglich zu sagen.
    »Wir hatten unsre festen Stationen mit unsrer festen Routine, aber es war keine gewöhnliche Fließbandarbeit, jedenfalls nicht in der Produktionshalle. Du mußtest die ganze Zeit hellwach sein und du mußtest eine Mischung einschätzen, vielleicht vom einen was ein bißchen überdosieren und dann bei anderen Zusätzen sparsamer sein. Normalerweise saßt du auch nicht still. Du verfolgtest den Prozeß durch deine ganze Station und es mußten Messungen gemacht werden, schwere Griffe, wenn was zugesetzt werden sollte. Du hast deinen Körper eingesetzt, aber das war’s nicht, was die Arbeit am schwersten machte. Das war die Luft. Die war nie ganz sauber. Es blieb immer irgendwas von all den Zusätzen hängen. Damals wurden starke Verdünner benutzt, Stoffe, die heut’ verboten sind, nach dem, was ich so höre. Wenn der Tag vorbei war, hattest du immer einen schweren Kopf, und es konnte ein paar Stunden dauern, bis du dich wieder fit gefühlt hast. Kopfschmerzen kriegtest du auch.«
    »Aber habt ihr denn diese Sachen nicht angesprochen, mit der Leitung?«
Er sah mich höhnisch an. »Dochdoch, wir haben es angesprochen. Aber du solltest wissen, das waren damals im Arbeitsleben noch ganz andere Zeiten als heute. Die in der Leitung kümmerten sich nich sonderlich darum, was wir da von ganz unten sagten. Und du kannst sagen, die Schwäche vom Holger, das war, daß er nicht hart genug dranblieb, wenn es wirklich drauf ankam. Ich hab dem Holger nie was vorgeworfen wegen dem, was passiert is. Obwohl da genug Leute waren, die das gemacht haben. Aber es is doch so, wenn er wirklich gefürchtet hat, daß irgendwo in der Produktionshalle eine Leckage war, hätte er sich auf die Hinterbeine stellen müssen und uns die Arbeit niederlegen lassen. Streiken, bis alles gehörig gescheckt war.«
»Meinst du, daß er nicht sicher war?«
»Ich weiß nich, was ich meine. Ich sag, wenn er das wirklich gefürchtet hat, dann hätte er Bescheid sagen müssen und die Leute aus der Halle abziehen.«
»Er hat also mit euch anderen nicht darüber gesprochen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich konnte sehen, daß er rumging und über irgendwas nachgrübelte. Ich hatte meine Station auf der vorletzten Etage, aber der Holger, als Vorarbeiter, hatte seine ganz unten am Boden.
Er hatte ’ne kleine Kabine mit Glasfenstern, hinten an der Tür, wo er

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