Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
mobile bei uns in Triest, anschließend Leiterin der Wasserschutzpolizei in Duino und jetzt ist sie die Chefin des Kommissariats in Grado. Sie hat den dritten Dan in Judo und ich weiß nicht welchen in Karate. Sie hat mehrere Kurse in Japan gemacht.«
    »Grado? Komisch, dass sie das nach solchen Einsätzen nicht langweilt.« Pina rümpfte die Nase.
    Die Inspektorin war selbst eine besessene Kampfmaschine und trainierte mehrmals die Woche Wing Tsun Kung Fu. Warum sich die zwergenhafte Kalabresin ausgerechnet eine Kampftechnik ausgesucht hatte, die vorwiegend auf Tritttechniken basierte, blieb Laurenti ein Rätsel. Sie und Xenia wie im alten Rom im Kolosseum aufeinanderzuhetzen, wäre den Göttern gewiss ein Fest gewesen.
    »Von ihrem Äußeren her hätte die Zannier fast Model werden können«, fuhr Pina nach einer kurzen Pause fort. »Eins fünfundachtzig groß, blond, blauäugig, nur ihr Hintern ist ein bisschen … na ja, neunundneunzig, sechzig, hundertfünfzehn, schätze ich.«
    Laurenti tat, als hätte er nicht zugehört. »Wer weiß, wie lange es sie hält? Sie spricht vier Sprachen, mich würde es nicht überraschen, wenn sie sich eines Tages um eine Stelle bei Interpol oder bei einer anderen europäischen Behörde bewerben würde. Das Beste wäre aber, wenn sie bei der nächsten Personalrochade wieder zu uns nach Triest käme.«
    »Wenn überhaupt, dann ziehe ich Männer als Vorgesetzte vor.«
    »Machen Sie es wie Xenia. Warum verschwenden Sie Ihr Talent, Pina? Belegen Sie Weiterbildungskurse, knüpfen Sie Verbindungen ins Ministerium und zu den richtigen Kollegen, die Sie auf den Seminaren kennenlernen. Bisher haben Sie doch nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sie so schnell wie möglich von hier wegwollten. Was hält Sie? Die Welt ist groß.«
    Pina Cardareto rümpfte die Nase, ihre Hände am Lenkrad verkrampften sich so sehr, als wollte sie das Steuer aus dem Wagen reißen und das Tattoo, ein durchgestrichenes Herz mit dem Schriftzug »basta amore«, auf ihrem angespannten Bizeps schien fast zu platzen. Der Commissario hatte ihren wunden Punkt erwischt. Was hielt sie? Wenn sie ihre Freizeit nicht dem stahlharten Kampfsporttraining widmete, warf sie zur Entspannung bissige Comics aufs Papier, die wenig schonend den Alltag in der Dienststelle behandelten. Manch einer ihrer Kollegen wechselte kein überflüssiges Wort mehr mit ihr, weil er sich schlecht getroffen fühlte. Und sie schrieb sozialkritische Theaterstücke, die nur selten ein Happy End hatten. Die berufliche Erfahrung kam ihr dabei sehr zu Hilfe. Seit einiger Zeit wurden die Stücke sogar von Laienschauspielergruppen aufgeführt und fanden bescheidenen Anklang. Darüber hatte Pina endlich auch Freundschaften geschlossen, die sie opfern müsste, wollte sie beruflich weiterkommen.
    »Hat dieser Supercop auch ein Privatleben?«, fragte sie misstrauisch.
    Laurenti war verblüfft, dass ausgerechnet Pina diese Frage stellte. Jeder wusste, dass die ehrgeizige und verbissene Inspektorin bisher eine Beziehung nach der anderen in den Sand gesetzt hatte.
    Auf der Brücke über den Canale Isonzato musste Pina scharf abbremsen. Beim Wegweiser zu der kleinen Straße nach Fossalon, wo vier Kilometer weiter der Kanal in die Adria mündete, hatte sich ein Stau vor der Straßensperre gebildet.
    »Soll ich an der Schlange vorbeifahren?« Pina ließ das Fenster herunter und griff nach dem Blaulicht.
    »Wir haben keine Eile. Demokratie erlaubt Privilegien nur im Notfall.« Auch Laurenti öffnete die Seitenscheibe.
    »Manche Privilegien sparen Steuergelder, Commissario.«
    »Alle anderen erhöhen die Steuerlast, Pina.«
    Zwischen Wohnmobilen und Pkw mit dänischen, österreichischen und deutschen Kennzeichen waren auch einige der dunkelblauen Limousinen eingekeilt, die von Aquileia herübergefahren waren und kurz nach der Kontrolle auf einen Weg zu dem Gehöft des Verstorbenen abbogen. Der provisorische Parkplatz auf der Wiese vor dem dreiflügligen Gebäude füllte sich allmählich. Im Hof, den man von der Straße gut einsehen konnte, waren weiß gedeckte Tafeln aufgebaut. Tücher schützten das Buffet vor der Sonne. Das Personal des Catering-Services stand abseits bereit, während am Hoftor schwarzgekleidete Angestellte den Gästen den Weg wiesen.
    Die Polizisten aus dem Kommissariat in Grado hielten die Fahrzeuge nur kurz auf, warfen einen Blick auf die Papiere, die Insassen und in den Fond, und winkten sie dann gleich weiter. Pina hielt ihre Polizeimarke ans

Weitere Kostenlose Bücher