Im eigenen Schatten
hinterlassen.«
»Schade, dass wir beide die Ermittlungen nicht führen können«, lächelte die große Blonde und schaute auf Laurenti hinunter. »Endlich mal ein spannender Fall. Zusammen hätten wir einen Mordsspaß. Übrigens sollen wir am Nachmittag auch in Sachen Alkohol am Steuer großzügig sein. Nicht alle Geladene haben einen eigenen Chauffeur.«
»Damit hast du schon einmal eine Entscheidung fürs Leben getroffen«, feixte Laurenti. Xenia fragte ihn oft um Rat, wenn sie Krach mit ihrem Lebensgefährten hatte. Wider alle Vorschriften hatte sie Zeno Capuni vor einigen Jahren bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle in Duino ohne Alkoholtest davonkommen lassen. Und drei Tage später waren sie sich dann zufällig in Monfalcone wiederbegegnet, wo der junge Mann sie zum Kaffee einlud.
Wieder standen zwei Lieferwagen des Spechtenhauserschen Weinguts in der Schlange der wartenden Fahrzeuge. Die Kommissarin rief den Beamten zu, sie mögen auch diese durchwinken.
»Manchen Anordnungen kommst du also doch nach«, neckte Laurenti sie.
»Trauernde sind durstig.« Seine Kollegin hob die Achseln, das Lächeln entschwand aus ihren Gesichtszügen. »Wenn du nur wüsstest! Zur Zeit herrscht dermaßen dicke Luft zu Hause. Zeno hat mir schon wieder einen Heiratsantrag gemacht.« Die Trümmer ihres blinden Wutausbruchs erwähnte sie mit keinem Wort. »Vielleicht sollte ich mich um eine andere Stelle bewerben. Weit weg …«
»Dabei seid ihr eigentlich ein schönes Paar.« Laurenti schaute den Lieferwagen nach. »Habt ihr morgen Abend schon etwas vor? Lass uns alle zusammen essen gehen. Das heitert die Stimmung wieder auf. Laura und mir täte das auch ganz gut.«
Pina Cardareto startete den Wagen, sobald sie sah, dass ihr Chef sich näherte. Warten gehörte nicht zu ihren Stärken.
»Wir mischen uns unter die Gäste, Pina«, sagte Laurenti. »Spitzen Sie die Ohren und halten Sie die Augen offen.«
Sie waren längst nicht die Letzten, die zu dem alten Gutshof fuhren, in dem keine Kuh und kein Schwein im Stall stand, und von dem aus kein Feld bewirtschaftet wurde. Franz Xaver Spechtenhauser hatte sein Hauptquartier daraus gemacht und die Wirtschaftsgebäude für die Spechtenhauser Capital Familienholding umgebaut.
Pina parkte den Alfa Romeo auf einer Wiese vor der Einfahrt. Sie gingen an zwei Männern einer privaten Sicherheitsfirma vorbei durch das Tor und reihten sich in die Schlange der Gäste ein, die die Auffahrt herunterreichte. Zwei in schwarze Dirndl gekleidete Blondinen mit runden Gesichtern und etwas zu großen Nasen, hochgestecktem Haar und schwarzen Hütchen, von denen ein Schleierchen über die Augen hing, nahmen vor dem Haupthaus die Beileidsbekundungen entgegen.
Laurenti reichte ihnen stumm die Hand, während Pina ein paar unverständliche Worte murmelte, bevor sie ihrem Chef folgte. Sein Mitgefühl hatte er längst kundgetan, als er Gertraud vor zehn Tagen die Nachricht vom Flugzeugabsturz überbrachte. Frühmorgens hatte er lange an der Tür zur Villa über der Felsenbucht von Duino geklingelt, bis sie ihm unwirsch und nur mit einem leichten Morgenmantel bekleidet die Tür öffnete, aber so schlagartig verstummt war, als könnte sie Gedanken lesen. Mit einem stummen Zeichen hatte sie ihn hereingebeten, während ein schlanker, unbekleideter und tief gebräunter Mann um die fünfzig die freistehende Treppe zum Salon heruntertapste. Als er Laurenti bemerkte, fuhr er sich mit der Hand durch das kurzgeschnittene schwarze Haar, um dann schnell sein halberigiertes Glied zu bedecken und kehrtzumachen. Noch während der Kommissar berichtete, hatte Gertraud zum Telefon gegriffen. Fast zeitgleich musste die bestürzende Nachricht die Zwillinge erreicht haben. Ihre Schwester Magdalena war bereits im Bild. Xenia in Grado war schneller gewesen.
Mit festem, weißem Leinen waren die Tische gedeckt, die im ausladenden Hof zwischen den drei Flügeln des Gebäudes aufgebaut waren. Schwarzlivrierte Kellner standen wie Pinguine grüppchenweise im Schatten des Hauptgebäudes. Zwei schenkten Schaumwein in Gläser, die sofort beschlugen. Das Buffet unter den Sonnenschirmen war noch nicht eröffnet. Die Gäste mussten sich gedulden, bis die Zwillinge ihre Rede gehalten hatten. Über dem Hinterland bauten sich schwarze Wolken vor den Alpen auf, doch über das Meer spannte sich der azurblaue Himmel.
»Wie eine Hochzeit auf dem Lande«, flüsterte Pina ehrfürchtig.
»Sie hätten sich etwas besser anziehen können. So
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