Im eigenen Schatten
es erkennen kann, sind es vorwiegend Initialen, Beträge und dann immer zwei Daten. Ich nehme an, Spechtenhauser hat unter der Hand Geld verliehen und sich dies entsprechend absichern lassen. Nur selten hat er ein paar Worte an den Rand gechrieben. Ich werde den Kollegen in Südtirol die Kopien schicken.«
»Fragen Sie zuerst meine Tochter. Die amtliche Übersetzung können wir dann beizeiten nachliefern.«
»Das habe ich bereits getan, doch Livia hat gesagt, dass sie heute keine mehr Zeit hat, weil sie die Geburtstagsfeier Ihrer Frau vorbereiten muss, Commissario.« Die Inspektorin pflegte einen Unterton, der ihm nicht im Geringsten gefiel. »Und morgen fährt sie in Urlaub.«
Laurenti ließ sich nicht anmerken, dass er über beides nicht im Bild war. Wenn Patrizia nicht da war, erfuhr er stets zuletzt von den Plänen der Familie. Und dieses Mal mussten die Entscheidungen wieder sehr kurzfristig gefallen sein.
»Auf der letzten Seite hat er noch eine andere Rubrik eingerichtet. Sie trägt den Titel ›Vorsch. Avv. wg. U.‹ und weist Beträge in einer Höhe von insgesamt achthunderttausend Euro aus. In vier Tranchen ausbezahlt zu jeweils zweihunderttausend. Immer an einem Freitag, beginnend beim 11. April, die letzte am 6. Mai.«
»Vorschusszahlungen an seinen Anwalt also?«
»Anzunehmen.«
»Verdammt hoch, doch Anwälte sind gierig. Steht da ›ausbezahlt‹ oder ›überwiesen‹?«, fragte Laurenti.
»Ausbezahlt. Die Kontoauszüge, die wir beschlagnahmt haben, weisen keine dementsprechenden Entnahmen oder Überweisungen aus.«
»Ein Mann wie Spechtenhauser hat sicher Konten im Ausland, von denen wir nichts wissen.«
»Wissen Sie eigentlich, was der Kollege in Bozen mit ›Piefke-Targa‹ gemeint haben könnte? Er war sowieso schwer zu verstehen, hat mit einem Akzent gesprochen, gegen den selbst der Papst noch gut abschneidet.«
Laurenti hob die Achseln. »Wovon reden Sie?«
»Ich habe mich über die deutschen Kennzeichen an den Fahrzeugen des Clans schlau gemacht. Ein interessantes System: Die Wagen der Familie, wie auch die von Professor Moser, sind alle von der Sonar Communications Bozen Washington SpA bei einem deutschen Autoverleih in Rosenheim bei München gemietet. Laut Bozen macht diese Firma gute Geschäfte in Südtirol, viele Unternehmen und vermögende Privatpersonen gehören zu den Kunden. Full Service bei den Fahrzeugen, gigantische Steuerersparnisse und weniger Strafzettel. Aber billig ist es nicht. Spechtenhausers Mercedes war übrigens fast steril, nicht einmal eine Parkplatzquittung haben wir gefunden. Diese S-Klasse-Modelle sehen aus wie übertrieben geliftete alte Männer.«
»Alle Achtung, Pina.« Laurenti konnte sich das Lachen nicht verbeißen. Er ahnte bereits, dass sich diese Beobachtung der Inspektorin in einem ihrer Comics niederschlagen würde, wo sie einen solchen Wagen sicher einem ambitionslosen Staatsanwalt aus reicher Familie unterjubeln wollte.
»Sie haben leider recht gehabt, Chef. Auf fast allen Flaschen finden sich die Fingerabdrücke einer zweiten Person. Wir brauchen die der ganzen Familie.« Pina verschränkte die Arme, ihr Bizeps glich einer Eierhandgranate. Ihr Blick ging zur Wand, wie immer, wenn sie der Meinung war, dass ihr Chef etwas erledigen sollte, von dem sie absehbare Schwierigkeiten erwartete. »Und natürlich auch von seinem Kompagnon, diesem Moser. Die der Haushälterin habe ich bereits.«
Die Blumenhändlerin im Dorf Prosecco auf dem Karst hatte Augen gemacht, als Laurenti am Montagmorgen um halb sieben ihren Laden betrat, vor dem ein Kühllaster parkte und frische Ware anlieferte. Seit einundvierzig Jahren war sie frühmorgens auf den Beinen, um Rosen, Tulpen, Nelken, Lilien und andere Gewächse entgegenzunehmen, die aus Kenia, Lateinamerika oder Holland importiert wurden.
Offiziell öffnete sie ihr Geschäft erst um neun Uhr, doch den Commissario, der zu ihren treuen Kunden zählte, konnte sie nicht zurückweisen. Auch die Rosen zu Živas vierzigstem Geburtstag hatte sie für ihn durch eine Kollegin in Zagreb zum Büro der Generalstaatsanwältin schicken lassen – und keine Fragen gestellt, warum diese ausgerechnet langstielig und blutrot sein mussten und vier Euro das Stück kosten durften. Verschwiegenheit ist eine eiserne Regel für Floristen, Wirte und Polizisten. Sie erfuhren Dinge, die weder Priester noch Friseure je zu Ohren bekamen.
Mit einem üppigen Strauß und einer Tüte voller ofenwarmer Brioches kam Laurenti nach Hause und
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