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Im eigenen Schatten

Im eigenen Schatten

Titel: Im eigenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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schoss es Laurenti durch das Gehirn: Der Mann, der die Treppe in Gertrauds Haus herabgekommen war, als er die Nachricht von Spechtenhausers Absturz überbracht hatte, war wirklich Galimberti gewesen. Sein Gedächtnis funktionierte noch. Kleider machten Leute, nackte Haut verstellte bloß.
    Rechts der Straße zeichnete sich hinter hohen Fabrikgebäuden der weiße Umriss eines der gigantischen Kreuzfahrtschiffe ab, die in der Werft gebaut wurden und später die Weltmeere unsicher machten. In der Zeitung hatte gestanden, dass dieses Monstrum insgesamt über fünftausend Menschen an Bord nehmen konnte. Nicht einmal mit zwei Kalaschnikows bewaffnet würde Laurenti eine Reise mit einem derartigen Kübel antreten.
    Die Kleinstadt Monfalcone hatte der ghettoisierten Freizeitindustrie den Großteil ihrer Arbeitsplätze wie auch soziale und gesundheitliche Probleme zu verdanken. Die Asbestverseuchung früherer Jahrzehnte forderte noch heute Opfer, und die Schadenersatzprozesse gegen das Unternehmen zogen sich ewig hin. Die aktuellen Probleme aber waren andere: Tausende Gastarbeiter aus Bangladesch arbeiteten für Betriebe, die als Subunternehmer die Werft belieferten und es mit den Gesetzen nicht immer genau nahmen. Die unbedarften Ausländer waren leichte Beute und eine Einladung an das organisierte Verbrechen, auch hier abzukassieren. Unterkunft, Arbeitsplatz, Telekommunikation, Überweisungen nach Hause, Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen – alles hatte seinen Preis. Auch aus Süditalien, aus Apulien, Kampanien, Kalabrien und Sizilien, waren während der letzten zwanzig Jahre Arbeitssuchende zugeströmt, für die ähnliche Regeln galten. Die Sozialstruktur der Kleinstadt hatte sich massiv verändert. Obgleich viele Bangladescher wegen der rückläufigen Auftragslage wieder in ihr Heimatland zurückgegangen waren, blieb der Einfluss der Clans unbeeinträchtigt. Windige Anwälte waren damit beschäftigt, die Arbeit der Ermittler zu torpedieren und die Gerichte durch Eingaben und Verfahrensbeschwerden, Verjährungsanträge und Zeugenbeeinflussung zu blockieren. Anwälte wie dieser Ernesto Galimberti.
    Ein Hupen riss den Commissario aus seinen Gedanken, abrupt zog er den Wagen auf die rechte Fahrspur zurück. Neben ihm machte ein Motorradfahrer auf einer schwarzen Moto Guzzi unmissverständliche Gesten. Gemächlich fuhr Laurenti weiter bis zur Ampel, wo der Mann neben ihm hielt und die altmodische Motorradbrille auf den Helm schob: Nikolaus Spechtenhauser.
    »Sie hätten mich fast von der Maschine geholt. Ich will mit Ihnen sprechen, Commissario.«
    »Das Leben ist voller Überraschungen. Warten Sie nach der Kreuzung in der Viale San Marco.«
    Laurenti warf einen Blick auf die Uhr, Richter Malannino mit seinem Ermittlungsstab würde sich gedulden müssen. Er war davon ausgegangen, dass er Nikolaus Spechtenhauser würde offiziell und unter Strafandrohung vorladen oder gar in Südtirol aufsuchen müssen. Er parkte knapp hinter dem Motorrad im Halteverbot.
    »Zu Ihren Ermittlungen werde ich zwar nichts beitragen können, Commissario«, sagte Nikolaus Spechtenhauser sogleich, als er den schwarzen Sturzhelm absetzte und Laurenti durchs Autofenster die Hand reichte, nachdem er seine Handschuhe abgelegt hatte. Dann stützte er sich mit beiden Händen am Autodach auf. »Also bitte keine falschen Hoffnungen. Nur eine Klärung. Wir könnten uns vielleicht an einem der Tische vor der Bar dort drüben unterhalten.«
    Laurenti blieb stumm. Es gab genug Situationen im Leben, die anders verlaufen wären, wenn der wichtigtuerische Drang eines der Beteiligten, sich selbst ins Spiel zu bringen, nicht über die Vernunft gesiegt hätte. Lieferte jetzt auch Spechtenhausers Sohn wertvolle Informationen oder ließ er nur Seifenblasen ab?
    Als sie Platz genommen hatten, bestellte er einen Espresso, Nick ein Glas Prosecco. Fünf dunkelhäutige Männer schlenderten auf dem Gehweg vorbei, ihre Gesichter waren verschlossen, sie redeten laut und in einer unverständlichen Sprache miteinander, ihre Gesten schienen resigniert oder verzweifelt.
    »Bangladescher. So ist es, wenn soziale Zusammenhänge aufgelöst werden«, sagte Nick. »Ein paar tausend Einwanderer stellen die Gewohnheiten ruckzuck auf den Kopf. Das haben wir in Südtirol besser im Griff, selbst wenn auch dort nicht alles eine heile Welt ist, wie manche behaupten.«
    »Um mir dies zu sagen, haben Sie mich angehalten?«
    »Ich möchte einem möglichen Missverständnis vorbeugen. Meine Mutter

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