Im eigenen Schatten
andere Aufgaben. Er wird sich mit der Versicherung herumschlagen müssen, die gewiss versuchen wird, den Wert herunterzuschrauben oder gar eine Nachlässigkeit der Beteiligten nachzuweisen, um die Ersatzleistung zu mindern, wenn nicht ganz abzuwehren.«
»Das ist der einzige Geschäftsbereich, in den ich keine Einblicke hatte. Spechtenhauser hat dafür klugerweise eine kroatische Anwaltskanzlei eingeschaltet. Besser so, dort drüben ticken die Uhren anders«, pflichtete der Anwalt bei.
»Ihr Titel, Signora, lässt auf eine Abkunft aus italienischem Adel schließen?«
»Weshalb interessiert Sie das auch noch, Commissario?«
»Von Ihrem Exgemahl weiß man, dass er als Senator ein Scharfmacher war und viel von Pangermanismus geredet hat. Die Unabhängigkeit Südtirols, weg von Italien, ein großes deutsches Volk. Befremdlich, dass seine Karriere durch die Heirat mit Ihnen keinen Schaden genommen hat.«
»Falsche Fährte, Laurenti. Donna ist auch ein Ehrentitel, den man für die unterschiedlichsten Verdienste erhalten kann. Aber ich stamme aus einer deutschen Familie, die banal Karl hieß, bevor ihr Nachname unterm Faschismus italianisiert wurde. Das ist, wie Sie wissen, auch hier passiert, in Triest, auf dem Karst und im Friaul. Den Zusatz Donna aber habe ich schon als junges Mädchen als Spitznamen bekommen, ohne irgendetwas Besonderes dafür getan zu haben. Er ist mir geblieben. Und ich gebe zu, er hilft manchmal. Vor allem in Italien. Aber was hat das mit seinem Tod zu tun?«
»Polizisten sind von grenzenloser Neugier, Signora. Wo finde ich Ihren Sohn? Unter seiner Mobilnummer antwortet er nicht.«
»Ich werde ihn suchen. Haben Sie einen Augenblick Geduld.« Donna Rita erhob sich und ging grußlos zur Tür.
Der Rechtsanwalt zog seine Karte aus der Tasche des Jacketts. »Nur für den Fall, dass Sie Hilfe brauchen, um Spechtenhausers Firmenstruktur zu verstehen, Commissario. Wir sind noch zwei Tage hier.« Wieder schnitt er diese fiese Grimasse, die er selbst vermutlich als freundlich empfand, und ging hinaus.
Laurenti blieb allein in dem Saal zurück und wartete vergebens. In großen Firmen wurde er entweder sofort empfangen, oder man ließ ihn lange warten. Daran war er gewöhnt. Dass ihm am Ende aber nicht einmal die Chefsekretärin eine Ausrede servierte und ihn dann hinausgeleitete, war ihm noch nie passiert. Vergessen hatte man ihn wohl kaum. Behutsam steckte er auch die beiden Sektgläser in die bereits von den Wassergläsern der Zwillinge ausgebeulten Taschen seines Jacketts. Streng alphabetisch: Galimberti und Gertraud links, Magda und Rita rechts. Dann beschloss er, zu gehen.
Auf dem Flur begegnete er niemanden. Als er aus dem klimatisierten Gebäude hinaus auf den Hof trat, traf ihn die stickige Hitze des Nachmittags mit voller Wucht. Behutsam deponierte er sein Jackett auf dem Beifahrersitz und legte den Rückwärtsgang ein.
Kaum hatte er gewendet, erreichte ihn ein Anruf Mariettas, der Leiter der Sonderkommission suchte ihn. Laurenti bat sie, ihn sogleich zu verbinden.
Grelle Blitze durchfuhren die schwarzen Wolken über den Karnischen und den Julischen Alpen, die den Horizont im Norden begrenzten. Sollte das Unwetter Richtung Meer ziehen, würde spätestens in der Nacht schon wieder ein schweres Gewitter über den Weinbergen des Collio niedergehen, deren junge Blütenstände bereits unter dem schweren Hagelsturm am Tag vor der Trauerfeier gelitten hatten.
»Schlechte Aussichten«, murmelte Laurenti, während er den Wagen über die Isonzo-Brücke steuerte. »Diese Frau hat mich nach Strich und Faden auflaufen lassen.«
Um mit Nikolaus Spechtenhauser allein zu sprechen, müsste er ihn aus den Klauen seiner Mutter befreien. Und Galimberti, hatte sie ihn als Anwalt oder als Vertrauten mitgebracht? Ein arroganter Schnösel, der ihr aufs Wort gehorchte. Die beiden schienen unzertrennlich zu sein, schon bei der Trauerfeier war er nicht von ihrer Seite gewichen. Laurenti überschlug den Altersunterschied zwischen ihnen. Donna Rita hatte mit Sicherheit einen Schönheitschirurgen, der zu den besten gehörte. Ihr Sohn Nikolaus war dreiundvierzig, und Anwalt Galimberti gerade erst fünfzig geworden, hatte Marietta im Büro berichtet. Wenn er und Donna Rita ein Paar waren, trennten sie gut und gern achtzehn Jahre. Liebe? Gemeinsames Interesse oder strategisches Vorgehen des Advokaten? Geld war unendlich viel im Spiel. Doch warum hielt sich Galimberti dann nicht an eine der Zwillinge?
Auf einmal
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