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Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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es eine asphaltierte Straße, flankiert von einer Buchsbaumhecke. Auf der linken Seite liegt das Footballfeld, rechts befinden sich das Haus des Direktors, die Sporthalle und drei Baseballfelder. Am Fuß des Schulhügels verschnaufe ich ein bisschen. Hoch über mir sitzt Teddy Roosevelt auf einem sich bäumenden Pferd und hältWache. Das Pferd hat die dicksten Eier der Welt. Beim letzten Halloween hat sie jemand knallblau angemalt. Wir haben zugeguckt, wie sie sauber geschrubbt wurden, und uns dabei scheckig gelacht.
    Trotz der Aktion mit den blauen Eiern gilt unsere Lehranstalt als die beste private Jungenschule im Norden des Staates New York. Sie wurde Mitte des 19.   Jahrhunderts gegründet, als es hier nur Weideland und Kühe gab. Damals wurden die Kinder für ein halbes Jahr in der Schule abgeliefert. Inzwischen sind die Vororte bis an die Schule herangewachsen und die Hälfte der Schüler geht nach dem Unterricht nach Hause. Im Werbeprospekt steht, dass es hier alles gibt außer Mädchen. Und genau deswegen hat Dad mich hier angemeldet. Vielen Dank, Mary Louise Prescott.
    Als ich in der achten Klasse der öffentlichen Meadowvale-Oberschule war, saß Mary Louise Prescott mir gegenüber. Ihre Mutter leitete ehrenamtlich die Arbeitsgemeinschaft
Leben mit Freude
, die nach der Schule stattfand. Mary Louise war Schatzmeisterin. Es war eine ziemlich christliche Veranstaltung, mit Donuts, Coke und Tamburinschlagen.
    Jedenfalls fing Mary Louise an, mich während des Unterrichts anzulächeln, und in der Mittagspause war sie wie durch ein Wunder immer dann zur Stelle, wenn Andy und Marty von Mädchen abgelenkt waren, was bei Andy praktisch immer der Fall war. Mary Louise trug bauschige Pullis und roch nach Pfirsichen und Wäschestärke. Warum also nicht? Sie teilte ihre Schokoriegel mit mir.
    Aber sie wollte mehr. Eines Tages traf sie mich alleinauf dem Hof und machte einen auf total ernst, als wäre jemand gestorben. Sie sagte, sie habe seit Wochen kaum geschlafen und müsse unbedingt mit mir reden.
    Ich so: »Bitte.«
    Sie holte tief Luft. »Sammy, ich muss dir von Jesus erzählen.«
    »Ich kenne Jesus.« Ich zuckte die Achseln. »Er ist einer unserer Propheten.«
    »Nein!« Sie schüttelte den Kopf. »Er ist nicht nur ein Prophet. Er ist der Erlöser.«
    Ich so: »Okay. Gut. Willst du einen Kaugummi?«
    »Im Ernst, Sammy. Du musst das glauben. Wie soll ich denn im Himmel glücklich werden, wenn du in der Hölle schmorst?«
    Natürlich bin ich ihr danach aus dem Weg gegangen. Andy aber meinte, ich sei verrückt, denn die sei wirklich scharf auf mich, und er habe schon allerhand Geschichten gehört und ich solle dranbleiben. Bis dahin – und auch danach nicht wieder – war noch nie ein Mädchen hinter mir her gewesen und deshalb dachte ich, hey, vielleicht hat Andy ja recht. Und beim nächsten Mal, als ich mit dem Rad an ihrem Haus vorbeifuhr und sie mir zuwinkte, blieb ich stehen.
    »Hast du Lust auf Eis? Möchtest du reinkommen, meiner Mutter Guten Tag sagen?«, fragte sie.
    Das mit der Mutter schreckte mich ein bisschen ab, aber Eis mochte ich. Komischerweise führte mich Mary Louise durch die angebaute Garage. Kurz vor der Tür zum Haus drehte sie sich zu mir um und guckte mich ganz ernst an. »Sammy«, sagt sie. »Willst du mal meine Titten anfassen?«
    »Was?«
    »Wenn du versprichst, dass du bei
Leben mit Freude
mitmachst, lass ich dich meine Titten anfassen.«
    »Ist das nicht irgendwie verboten?«
    »Was du mit reinem Herzen und für Jesus tust, ist keine Sünde.«
    Und schon war meine Hand unter ihrem Pullover und fummelte an ihrem BH rum. Mary Louise sprach in Zungen und mir wuchs ein großes Problem. Genau in dem Moment machte Mrs Prescott die Garagentür auf und erwischte uns.
    Na, da war was los! Mary Louise musste ihre Sünde beim nächsten Treffen von
Leben mit Freude
bekennen, ihre Mutter zwang sie dazu. Mary Louise hat geweint und alle haben ein Gebet gesprochen und dann hat Gott ihr offensichtlich vergeben.
    Ich hingegen wurde zum heidnischen Sexualverbrecher abgestempelt. Noch Monate später verlor jedes Mädchen ihren guten Ruf, sobald sie auch nur im Umkreis einer Meile von mir gesichtet wurde. Andy und Marty fanden das bescheuert, ich hatte ja nicht mal Mary Louises Haut berührt. Aber da die Gerüchte viel verlockender waren als die Wahrheit, glaubten die Leute lieber dem Tratsch.
    Meine Eltern auch. Gleich nachdem Mrs Prescott mich mit einer Harke von ihrem Grundstück verjagt hatte, rief sie

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