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Im Fadenkreuz der Angst

Im Fadenkreuz der Angst

Titel: Im Fadenkreuz der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Bäume und Ferienhäuser stehen.
    »Sind wir schon in Kanada?«, rufe ich über den Lärm des Motors hinweg.
    »Ja«, ruft Andy zurück.
    Also, denke ich lächelnd, haben wir eine Grenze überschritten, ohne sie überhaupt gesehen zu haben. So was scheint mir in letzter Zeit öfter zu passieren.
    Zwanzig Minuten später sehe ich das Ferienhaus der Johnsons, das auf dem Festland an einer Bucht liegt. Eigentlich ist es ein richtiges Zweithaus: Es ist winterfest und in der Garage steht ein Auto.
    In der Bucht gibt es noch mehr Häuser, jeweils etwa fünfzig Meter vom Ufer entfernt. Die meisten sind dunkel, manche sind schon dichtgemacht für den Winter, aber vor einigen sehen wir Leute, die grillen, Fangen spielen, Frisbeescheiben segeln lassen oder ihren Hunden Stöcke ins Wasser werfen.
    Andy steuert die Catalina an den Steg. Zum Abfedern einlaufender Boote hängen dort Autoreifen, aber Marty streckt trotzdem ein Ruder aus, damit wir sanft andocken. Wir springen vom Boot und helfen Andy beim Vertäuen.
    »Die Sonne geht gleich unter«, sage ich. »Vielleicht sollten wir lieber erst morgen zur Einsiedlerinsel.«
    Andy schnaubt nur: »Jetzt sind wir schon so weit gefahren, da werden wir doch nicht aufs Zelten verzichten!« Er marschiert mit uns in die Küche, wo wir Junkfood plus gefrorene Hamburger und Kühlaggregatein eine Kühlbox packen. »Hast du mir deine Liste mitgebracht, mein Junge?«, fragt er mich, als wäre er sein Vater.
    »Halt die Klappe«, sage ich und grinse.
    Jedes Mal, wenn ich mit den Johnsons in ihr Ferienhaus gefahren bin, hat Dad Mr J. eine Liste mit Gebetszeiten, Essensvorschriften und verbotenen Filmen überreicht. Und Mr J. hat jedes Mal ernsthaft genickt und die Liste in seine Tasche gesteckt. »Du hast das doch im Kopf, Sammy?«, hat mich Mr J. dann bei der Überfahrt gefragt. »Klar«, habe ich geantwortet und nie mehr an die Liste gedacht. Hinterher hat Dad Mr J. immer gefragt, ob ich mich an die Regeln gehalten hätte, und Mr J. hat jedes Mal Ja gesagt. Dad hat ihm nie geglaubt und mich ausgefragt. Vor allem wollte er wissen, was wir gegessen haben. »Meinst du, Mr J. lügt?«, habe ich geantwortet. Da war Dad still.
    Aber warum soll ich mir jetzt darüber den Kopf zerbrechen? Dad ist nicht hier, kann mir nichts kaputt machen. Ich kann abschalten.
    Wir holen Schlafsäcke und Luftmatratzen aus den Kisten im Schlafzimmer und verstauen sie im Heck des Bootes. Dann nehmen wir die Angelruten aus dem Schirmständer an der Seitentür und verpacken sie in den Angelkästen. Andy öffnet die Gerätekiste, in der Mr Johnson die Taschenlampen aufbewahrt. Es sind vier drin, und dazu Ersatzbatterien.
    Andy tritt von einem Fuß auf den anderen. »Hey, könnt ihr beide den Rest machen? Ich muss noch mal.« Er rennt ins Haus.
    Marty führt mich zu der Holzkiste neben dem Komposthaufen,wo das Bier ist, das er und Andy im Sommer dort unter einem Haufen Zweigen gebunkert haben. Andy darf Alkohol trinken, seit er vierzehn ist, aber dass Andy und Marty trinken, wenn sie mit dem Boot unterwegs sind, sollte Mr J. besser nicht wissen.
    Ich packe Brennholz in einen Sack.
    Marty verdreht die Augen. »Am Strand finden wir massenhaft angeschwemmtes Holz.«
    »Aber wenn wir ankommen, ist es dunkel.«
    »Deswegen haben wir ja die Taschenlampen.«
    »Und wenn das Holz nass ist? Wenn’s geregnet hat letzte Woche?«
    »Na gut«, murrt Marty. »Wenn du unbedingt die Tussie spielen willst.«
    »Quatsch, ist bloß einfacher so«, erkläre ich. »Wir können Feuer machen, ohne Batterien zu verschwenden.«
    »Alles klar, Mom.«
    Unser letzter Anlaufpunkt ist die Garage, wo Andys altes Zelt liegt. Wir finden es auf einem Regalbrett, eingewickelt in eine dicke Plastikplane, die mit Staub, Spinnweben und welken Blättern bedeckt ist.
    »Puh!« Ich drehe den Kopf zur Seite, während wir das Ding zum Boot tragen. »Marty, wenn zu diesem Gestank noch deine Furze kommen, sind wir garantiert bis morgen früh tot.«
    »Keine Bange«, lacht er stolz. »Ich habe Streichhölzer mitgebracht.«
    »Super. Dann ersticken wir nicht. Wir explodieren.«
    Wir werfen eine Plane über alles, was offen im Bootliegt, und warten auf Andy. Ich setze mich ans Ende des Stegs, lasse die Beine baumeln und schaue zu, wie die Sonne jenseits der Inseln im Südwesten versinkt. Marty pflanzt sich hinter den Motor der Catalina. Er legt seine runden Waden auf die Autoreifen an der Seite und versucht dann, mit den Zähnen einen Splitter aus dem Daumen zu

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