Im Fadenkreuz der Angst
zeigen. Sie diskutieren über Schweinegrippe und Vogelgrippe und wie sichim Zeitalter der Globalisierung in wenigen Tagen auf der ganzen Welt Pandemien ausbreiten und uns alle töten können, ehe wir bis drei gezählt haben.
Fünf Minuten davon und ich trau mich nicht mehr aus dem Haus. Der Nachrichtensprecher sagt, im Moment sei ein Anschlag mit biologischen Waffen noch reine Spekulation. »Allerdings läuft Hasan nach wie vor frei herum. Daher arbeiten die Behörden mit Hochdruck daran herauszufinden, was für ein Material er von Dr. Sabiri bekommen haben könnte.« Das hört sich an wie: Guten Morgen, Amerika! Wir werden alle sterben, aber bitte keine Panik.
Alle Sender schalten live nach Toronto, wo die kanadische Polizei in einem Raum alle Beweisstücke ausstellt, die sie während ihrer Aktion gesammelt hat. Ganze Tische voll mit Drogen, mit falschen Pässen und mit Waffen – Pistolen, Gewehre, Munition, Macheten – dazu Tarnkleidung, eine Tür mit Einschusslöchern und fünf zerschossene Schaufensterpuppen. Aber viel schlimmer noch sind die Plastiktüten mit Batterien, dazu Telefone, Kameras, Drahtscheren, Elektrogeräte und fünf mit Blei ausgelegte Kisten, in denen versiegelte Behälter mit unidentifiziertem Pulver stehen. Die Behörden sagen zwar nicht, wie das alles zusammenpasst, aber es wirkt sehr unheimlich.
Inzwischen klingelt unser Telefon alle fünf Minuten. Die Nummern der Anrufer sind unterdrückt. Aber wir gehen sowieso nicht ran. Nach dem ersten Idioten hat Mom Mr Bhanjee angerufen, weil sie ihm Dampf machen wollte. Aber das war nicht mehr nötig. Er hatte die Nachrichten gesehen, seine Vormittagstermine abgesagtund seitdem versucht er rauszufinden, wo Dad ist. »Der Fall ist komplizierter, als ich gedacht habe«, sagte er. Na super, du Schnellmerker.
Andy und Marty rufen an, aber ich stelle mein Handy aus. Ich möchte einfach nur still neben Mom sitzen. Ich blicke in ihr Gesicht. Sie denkt dasselbe wie ich: Wo ist Dad? Was machen sie mit ihm? Warum war er auf einem Foto mit Hasan?
Um zehn Uhr schalten die Sender zu einer Pressekonferenz des Heimatschutzministeriums in Washington. Wir sehen Bilder von Regierungsgebäuden, von fetten Autos und von Leuten mit Sicherheits-Armbinden, die in Mikrofone sprechen.
Plötzlich ein Schnitt zur Pressekonferenz. Am Rednerpult steht ein Mann mit rasiertem Kopf, in dunklem Anzug. Hinter ihm sitzt eine ganze Reihe von Männern mit rasierten Kahlköpfen, in dunklen Anzügen, einer wie der andere, wie Kopien frisch aus dem Drucker.
Der Mann fasst sich kurz. Er bestätigt die Festnahmen und die Flucht des Anführers der Zelle, Tariq Hasan. »Die Verhaftungen sind das Ergebnis einer internationalen Überwachung, die wir im Rahmen der Anti-Terrorgesetze des Patriot Act durchgeführt haben. Unsere Ermittlungen bezogen sich auf die Bruderschaft der Märtyrer und auf Dr. Arman Sabiri. Dr. Sabiri ist Direktor der Forschungsabteilung der Firma Shelton, einem Biolabor der Sicherheitsstufe vier in der Nähe von Rochester, New York.«
Bla, bla, bla. Dann lässt er die Bombe platzen:
»Der Anführer der Bruderschaft Tariq Hasan undDr. Sabiri standen per E-Mail und Handy in Kontakt. Laut unseren Ermittlungen war Dr. Sabiri kurz davor, Hasan geheime Materialien auszuhändigen. Nähere Informationen zu diesen Materialien sind streng vertraulich.«
Streng vertraulich. Na klar. Dad leitet ein Labor, in dem mit Anthrax-, Pocken- und anderen Viren und mit Microtoxinen gearbeitet wird. Da braucht man nur noch eins und eins zusammenzuzählen.
»Einen Tag vor der geplanten Übergabe der Materialien in einem Motel außerhalb von Rochester haben FBI und Heimatschutzministerium in Zusammenarbeit mit der kanadischen Polizei und dem kanadischen Sicherheits- und Geheimdienst zugeschlagen.«
Ein Blitzlichtgewitter. Der Mann bittet mit erhobener Hand um Ruhe.
»Die Bruderschaft der Märtyrer befindet sich in Gewahrsam. Sie stellt keine Bedrohung mehr dar. Doch ihr Anführer, Tariq Hasan, ist noch auf freiem Fuß. Er ist bewaffnet und äußerst gefährlich. Bis zu seiner Festnahme gilt die Alarmstufe zwei. Wir bitten die Bevölkerung, Ruhe zu bewahren. Vielen Dank.«
Der Mann tritt vom Podium ab. Er wendet sich dem Ausgang zu.
Reporter wedeln mit Mikrofonen. »Was ist mit Tariq Hasan! Haben Sie Tariq Hasan gefunden?« – »Wissen Sie, wo Tariq Hasan sich versteckt?« – »Was hatte er vor?« – »Wissen Sie, über welche Mittel er bereits
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