Im Fadenkreuz der Angst
und seine Kumpels unter Wasser. Eddy rastet aus, aber die Bullen greifen schnell ein. Und schon sind die Typen weg.
Bis vier Uhr passiert gar nichts. Dann ruft Mr Bhanjee an und sagt, sie hätten ihn immer noch nicht zu Dad vorgelassen. Sobald er mit ihm gesprochen hat, will er zu uns kommen. »Sobald« ist abends um neun. Bis dahin sitzen Mom und ich im dunklen Erkerzimmer und halten durch unsere Deckenvorhänge nach ihm Ausschau. Von den Scheinwerfern der Kamerateams, der Autos und der Lieferwagen ist es draußen taghell.
Die Polizei geleitet Mr Bhanjees Mazda auf unsere abgesperrte Auffahrt. Die Presseleute umringen ihn. Während er sich rückwärts auf unsere Haustür zu bewegt, beantwortet er Fragen und fuchtelt dabei mit den Armen, als wäre er ein Dompteur und wollte Löwen bändigen. Zum Glück ist er auf unserer Seite der Polizeiabsperrung, sonst würden die Presseleute ihn bei lebendigem Leibe verschlingen.
Wir führen ihn nach hinten ins Wohnzimmer.Mr Bhanjee macht es sich auf dem Sofa bequem und fährt sich mit der Hand über sein sorgfältig gegeltes Haar. Er hat einen harten, schweißtreibenden Tag hinter sich. Aus Rücksicht auf Mom behält er sein Jackett an, hat es aber nicht zugeknöpft. Sein Hemd ist so nass, dass das Unterhemd durchschimmert. Kein schöner Anblick. Denn Mr Bhanjee gehört zu den Männern, die sich zwischen Bart und Brust rasieren müssen, damit sie nicht wie ein Werwolf aussehen. Seine Augenbrauen würden eine Linie bilden, wenn er sie nicht in der Mitte zupfen würde.
Mom bietet ihm Tee an.
Mr Bhanjee nimmt vier Stück Zucker, verzichtet aber auf Moms Ingwerwaffeln, weil er auf Diät ist. Er hält Untertasse und Tasse direkt unter sein Kinn. »Ich habe mit Arman gesprochen. Ich soll euch beiden sagen, er liebt euch. Und er ist unschuldig.«
Mom presst die Hände auf die Knie. »Wie geht es ihm?«, fragt sie leise.
Mr Bhanjee hebt die Schultern, als wollte er sagen, ja, wie wohl? »Schwer zu sagen. Ich habe ihn nicht mal fünf Minuten gesehen. Er war hinter Glas. Es waren Wachen dabei.«
Mom springt auf. »Er hat das Recht auf einen Anwalt während der Befragung! Warum waren Sie nicht dabei? Warum sind Sie jetzt nicht bei ihm?«
Mr Bhanjee stellt seinen Tee auf dem Tisch ab, rückt die Bügelfalte auf seinem Knie gerade und faltet die Hände. Ich konzentriere mich auf seine Lippen. Die Worte, die aus seinem Mund kommen, machen die Luft so schwer, dass ich nicht atmen kann. »Mrs Sabiri,Recht ist nicht immer gleich Recht. Im Falle eines drohenden Terrorangriffs können die Bürgerrechte eingeschränkt werden.«
»Aber Arman könnte Dinge sagen, die später gegen ihn verwendet werden.«
Mr Bhanjee schüttelt den Kopf. »Aussagen ohne Anwesenheit des Anwalts dürfen vor Gericht nicht verwendet werden. Deshalb werden sie ihm kaum Fragen stellen, die ihn selbst betreffen.«
»Sie wollen, dass er sie zu Hasan führt«, flüstere ich.
Mr Bhanjee zieht die linke seiner gewaltigen Augenbrauen hoch. »Ja, das nehme ich an.«
Mom setzt sich wieder. Sie presst die Hände an die Seiten des Polsterhockers. »Und was machen wir jetzt?«
»Am Wochenende arbeiten die Gerichte nicht«, sagt Mr Bhanjee. »Ab Montag früh kann ich für seine Freilassung kämpfen. Er ist als Zeuge in Vorbeugehaft genommen worden. Bislang gilt er nicht als Beschuldigter.«
»Wie stehen die Chancen, dass Sie ihn rauskriegen?«
Mr Bhanjee tupft sich mit dem Taschentuch die Lippen ab. »Wie Sie sich sicher vorstellen können, hinterfragen Richter bei Terrorismusvorwürfen nur sehr ungern die Entscheidungen der Ermittlungsbehörden. Angenommen, sie entlassen jemanden, der Informationen über einen Angriff hat, und der Angriff erfolgt tatsächlich. Stellen Sie sich vor, was dann los ist! Mal ganz abgesehen von den Folgen für den Richter. Bei uns werden Richter gewählt, vergessen Sie das nicht.Die wichtigste politische Regel lautet: Bloß kein Risiko eingehen.«
Mom zögert: »Also, wie lange könnten sie Arman festhalten?«
»Das weiß allein Gott.«
Mom beugt sich vor. »Mr Bhanjee, ich weiß, dass es nicht gut aussieht, aber ich kenne meinen Mann. Das hier ist ein Irrtum. Den ganzen Tag über war von ›un bestätigten Berichten‹ oder von ›inoffiziellen Quellen‹ die Rede. Aber was für Beweise gibt es? Warum wird vermutet, dass Arman was damit zu tun hat?«
Mr Bhanjee öffnet die Hände und ballt sie zu Fäusten. »Bei Verdacht auf eine terroristische Bedrohung werden alle Beweise geheim
Weitere Kostenlose Bücher