Im Fadenkreuz der Angst
verfügt?«
»Keine Fragen«, sagt der Mann. »Kein Kommentar.« Er geht zur Tür.
Stimmen von Reportern. Aufgeregte Analysen der Fernsehkommentatoren.
Dad. Was hast du getan?
21
Zwei Minuten später wird berichtet, dass die Mitglieder der Märtyrer-Bruderschaft im Gefängnis in Toronto in Abschiebehaft sitzen. Dad wird im Gefängnis von Rochester festgehalten, nicht weit von uns.
Immer noch wird nicht gesagt, was ihm konkret vorgeworfen wird. Das hält die Fernsehsender aber nicht davon ab, Dads verwirrtes Gesicht mit der Überschrift DOKTOR TOD einzublenden.
Ich gehe nach oben zum Wäscheschrank. Laken, Decken, Handtücher, Kopfkissenbezüge liegen herum. Der Fußboden sieht aus wie eine Miniaturausgabe der Thousand Islands aus Stoff und Wolle. Ich schnappe mir ein paar Decken und hänge sie im Erkerzimmer über die Gardinenstange.
»Sami, geh von Dads Stuhl runter!«, ruft Mom aus dem Wohnzimmer. Sie kann meine Vorhangaktion im Fernsehen verfolgen. Ich zeige dem Kamerateam, das mich gerade filmt, den Finger. Mom explodiert: »Sa mi !«
Auf den Fernsehbildern aus der Luft sieht unsere Straße aus wie ein großer, vollgestellter Parkplatz. Vom Boden aus betrachtet ist das Gewimmel noch größer.Mütter mit Kinderwagen, Kinder, die die Schule schwänzen, und Leute, die einen Abstecher vom Oxford Drive hierher machen – unsere Straße ist zu einer touristischen Attraktion geworden. Die Robinson-Zwillinge, die zwei Häuser weiter wohnen, haben sogar einen Getränkestand aufgebaut.
Doch nirgends kann ich Andy und Marty entdecken. Ich stelle mein Handy an. Sie haben mir jede Menge Nachrichten geschickt. Ich rufe sofort zurück. Inzwischen sind beide bei Andy im Hobbyraum. Nach ihrem Auftritt im Fernsehen haben FB I-Leute sie in einen Polizeiwagen geholt und befragt. Da sie mit mir befreundet sind, wollten die Polizisten wissen, ob ich ihnen was gesagt hätte.
»Wir haben Nein gesagt«, erklärt Andy.
»Was habt ihr sonst erzählt?«
»Nichts.«
»Glaub ich nicht.«
»Na gut«, gesteht er, »aber nur, dass dein Dad sehr streng ist, dass er immer betet und dass er ausrastet, wenn man einen Witz über den Propheten macht. Jedenfalls haben die unsere Adressen und unsere Telefonnummern aufgeschrieben. Scheiße, Mann, normale Bullen im Haus ist schon blöd genug, aber wenn unsere Eltern rauskriegen, dass wir das FBI an der Backe haben, bringen die uns um.«
»Genau, deswegen sollst du auch die Klappe halten«, zischt Marty. »Die FB I-Leute haben gesagt, das Gespräch ist geheim. Wir dürfen nicht mit ihm darüber reden.«
»Mit
ihm
?«
»Schon gut«, sagt Andy. »Aber Marty hat recht. Wir dürfen nicht darüber reden.«
»Dann eben nicht, du Knallkopf!« Ich beende das Gespräch und hoffe, dass sie gleich zurückrufen. Tun sie aber nicht.
An der Haustür klopft es. Ich gucke zwischen den Decken nach draußen und sehe zwei Handwerker, die von der Firma
Akmeds Fenster und Türen
sein müssen, zumindest steht das auf dem Lieferwagen. Ich hoffe, Akmed freut sich über die Reklame.
Mom ist misstrauisch. Sie bittet die beiden, zur Hintertür zu kommen und ihr dort den Namen unseres Imams zu sagen. Alles korrekt. Die Männer messen die Glastüren aus, neue Türen können sie allerdings erst am Montag bringen. Für die Zeit bis dahin nageln sie Holzplatten auf die Rahmen. Mittags machen sie eine Pause zum Beten. Da entdecke ich die Paparazzi in den Bäumen auf dem Golfplatz. Das hat uns gerade noch gefehlt: Bilder der Handwerker, die sich in der kleinen Kriegszone hinter unserem Haus gen Mekka beugen.
Ich zeige Mom die Paparazzi. »Vielleicht solltest du denen mal ein paar Golfbälle an die Birne donnern?«
»Genau.« Mom nickt grimmig. »Und mir dazu eine Burka anziehen. Damit diese Hurensöhne richtig was geboten kriegen für ihr Geld.«
Ich bin so schockiert, dass ich lachen muss.
Moms Augen werden feucht. »Was würde ich nur ohne dich tun?«
Ich blicke zur Seite, denn ich denke dasselbe von ihr.
Die Tür-Männer sind gerade fertig, da tauchen Eddy Harrison und seine Kumpels auf. Sie haben Mittagspause. Weil die Straße voller Menschen ist, parkt Eddy seinen BMW auf Mr Hutchisons Rasen. Dann steigen er und seine Mannen aus, mampfen Hamburger und Fritten und kippen Cola aus Riesenflaschen hinterher. Hutchison steht auf seiner Veranda und schimpft. Eddy lacht bloß und wirft sein Einwickelpapier in Hutchisons Büsche. Einen Augenblick später hat Hutchison seinen Gartenschlauch gezückt und setzt Eddy
Weitere Kostenlose Bücher