Im Fadenkreuz der Angst
Stadt erwartet, ich fürchte, ich habe keine Zeit für ein Gespräch.«
»Verstehe«, sagt Mr Samuels. Seine Stimme ist aalglatt wie sein Haar. »Ich möchte nur zum Ausdruck bringen, dass unsere Schule sich große Sorgen um Ihre Familie macht. In schwierigen Zeiten sind finanzielle Belastungen besonders bedrückend. Normalerweise wird das Schulgeld nicht zurückerstattet. Aber für den Fall, dass Sie Ihren Sohn jetzt abmelden wollen, ist der Beirat bereit, Ihnen wegen Ihrer schwierigen Lage das volle Schulgeld zurückzuzahlen.«
»Das wird nicht nötig sein«, sagt Mom steif. »Samis Ausbildung hat bei uns oberste Priorität.«
»Bei allem Respekt«, fährt Mr Samuels fort, »es könnte doch sein, dass es Sami unter den gegebenen Umständen schwerfallen könnte, weiterhin die Schule zu besuchen. Vielleicht könnte es sich als sinnvoll erweisen, ihn eine Zeit lang zu Hause zu unterrichten.«
Mom blickt ihm direkt in die Augen. »Also machen Sie sich vor allem darüber Sorgen, dass man Ihre Schule mit uns in Verbindung bringen könnte.«
»Nein, so ist das nicht«, sagt Mr Samuels. Seine Schläfen sind rot angelaufen.
»Sie befürchten also auch nicht, dass Sie Sponsoren verlieren? Oder dass Eltern Ihre Söhne abmelden?«
Mr Samuel blinzelt wie ein Frosch, dem ins Rückenmark gestochen wird.
»Ich will Ihnen was sagen«, sagt Mom ruhig. »Das Schulgeld meines Sohnes ist bezahlt. Er hat dasselbeRecht auf Unterricht wie jeder andere Schüler dieser Schule. Und ich werde nicht zulassen, dass mein Sohn für aus der Luft gegriffene Gerüchte büßen muss, die seinen Vater betreffen. Haben Sie mich verstanden?«
Ich folge meiner Mutter aus dem Büro des Direktors und gebe mir Mühe, mit ebenso erhobenem Kopf zu gehen wie sie. Ich hasse diese Schule. Aber jetzt werde ich ums Verrecken nicht abgehen.
Wir treffen Mr Bhanjee in Rochester bei Starbucks, einen Block vom Gericht entfernt.
»Bei dieser Anhörung geht es darum festzustellen, ob hinreichender Tatverdacht besteht«, sagt Mr Bhanjee, der einen Dattelkuchen verschlingt. So viel zum Thema Diät. »Die Staatsanwaltschaft muss den Richter überzeugen, Arman weiterhin in Haft zu halten.«
»Und wenn sie das nicht schafft, kommt Dad dann frei?«, frage ich.
Mr Bhanjee kippt den letzten Schluck runter. »Das hoffe ich. Aber der Richter wird vorsichtig sein. In jedem Fall werden wir erfahren, worum es eigentlich geht und wie ernst es steht.« Er schiebt sich vom Tisch weg. Wir brechen auf.
Auf den Straßen ringsum ist Stau. Polizisten riegeln die Treppe zum Gericht ab. Männer vom Sicherheitsdienst laufen wichtigtuerisch umher. Über uns rattert ein Polizeihubschrauber. Mr Bhanjee deutet auf die Dächer ringsum. Dort sitzen behelmte Gestalten in Kampfanzügen mit Maschinenpistolen. Denken die etwa, al-Qaida wird in Rochester einmarschieren, um Dad zu befreien? Also echt.
»Super Motive für die Kameras«, sagt Mr Bhanjee.
Ich kann ihn kaum hören, so laut ist der Hubschrauber. »Hä?«
»Das ist beste Unterstützung für den Staatsanwalt«, ruft er.
Die Medienleute ballen sich am gesperrten Haupteingang. Mr Bhanjee arbeitet sich mit dem Ellbogen voran durch. Ich halte den Kopf gesenkt, den Arm um Mom gelegt. Mr Bhanjee zeigt dem Posten einen Ausweis und wir werden hineingewunken.
Ich war noch nie in einem Gerichtsgebäude, also weiß ich nicht, ob es normal ist, dass ich zweimal durch eine Metalldetektor-Schleuse gehen muss, einmal am Haupteingang und noch einmal vor dem Saal. Aber ich kann nicht glauben, dass wirklich alle Besucher schnüffelnde Hunde über sich ergehen lassen müssen. Das ist hier noch schlimmer als am Flughafen, wo unser Gepäck jedes Mal von irgendwelchen Sicherheitsfuzzis durchwühlt wird, als hätten wir die Absicht, die Maschine in die Luft zu jagen.
Im Saal sind die meisten Plätze von Reportern besetzt. Mom und ich werden hinter die Bank des Verteidigers geleitet. Mr Bhanjee sagt, wir würden nicht viel mit Dad sprechen können, es wäre sowieso besser, wenn wir nicht so viel sagten, weil man nie wisse, was jemand mithört und was dann daraus gemacht wird.
Dad wird durch eine Seitentür hereingebracht, flankiert von zwei Wachtposten. Er trägt Gefangenenkleidung, Handschellen und Fußfesseln. Ich möchte zu ihm. Er sieht mich. Für einen Moment verschwindendie Wolken aus seinem Gesicht. Dann lässt er beschämt den Kopf hängen.
Sie bringen ihn hinter Mr Bhanjees Tisch, direkt vor uns.
»Dad, du fehlst mir«, flüstere
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