Im Fadenkreuz der Angst
ich.
Er nickt, als hätte er mich gehört, aber er dreht sich nicht um. Mom streckt die Hand aus und berührt ihn vorsichtig am Arm. Sein Kopf und seine Schultern zittern.
Mr Bhanjee gibt Dad ein Papiertaschentuch und flüstert ihm was zu. Dad reißt sich zusammen, aber ich kann sehen, dass er aufgeregt ist, er ruckt mit dem Kopf wie ein Vogel, der Samen vom Boden pickt.
Der Saalwachtmeister sagt: »Bitte erheben Sie sich«, wie man das aus dem Kino kennt, und wir stehen auf. »Die Verhandlung beginnt. Vorsitz hat der ehrenwerte Richter Chapmann.«
Der Richter schwingt sich auf Krücken in den Saal. Sein Kopf sieht aus wie ein alter Apfel, schrumpelig und rot mit braunen Flecken.
Als Erstes moniert Mr Bhanjee Dads Hand- und Fußfesseln. Der Richter nimmt die Beschwerde an und verfügt, dass die Fesseln abgenommen werden. Punkt für uns.
Dann sagt Mr Bhanjee: »Euer Ehren, Dr. Sabiri wird als unentbehrlicher Zeuge festgehalten. Was soll er bezeugen? Bis jetzt gibt es keinerlei Anklage, die sich in irgendeiner Weise auf meinen Mandanten beziehen lässt. Wir verlangen daher seine sofortige Freilassung.«
Bevor der Richter auch nur blinzeln kann, ist der Staatsanwalt aufgesprungen. Mit seiner Glatze undden knochigen Händen sieht er aus wie ein Skelett im Anzug.
»Euer Ehren«, beginnt er und dann folgt eine endlose Litanei über Dad und die Bruderschaft der Märtyrer. Er zeigt die Bilder der Bruderschaft, die bereits alle im Fernsehen gesehen haben, dazu die Fotos, die das FBI mir vor die Nase gehalten hat, auf denen Dad mit Tariq Hasan in Toronto zu sehen ist.
Dann präsentiert er dem Gericht etwas Neues: Eine E-Mail , die Dad einen Tag vor der Polizei-Aktion diesem Hasan geschickt hat. Der Staatsanwalt liest sie laut vor:
Ab jetzt darf es nichts mehr geben, was auf eine Verbindung zwischen uns hinweist. Keine Briefe, keine Anrufe, keine E-Mails . Komm am Freitag ins Best Western Hotel am Flughafen von Rochester. Dort hole ich dich am Nachmittag ab und führe dich ein bisschen herum, aber das Labor kann ich dir nicht zeigen.
Die Reise wird sich für dich lohnen. Es war schwierig, die Dinge, die du haben wolltest, herauszusuchen. Ich weiß nicht, was ich hätte sagen sollen, wenn ich erwischt worden wäre. Nun gut. Ich habe alles in ein Päckchen gepackt, das du mit nach Toronto nehmen kannst.
Tariq, ich bewundere deine Pläne. Ich bete für dich, dass du Erfolg haben mögest, inschallah.
Dad schrumpft in seinem Sessel zusammen. Er dreht sich zu Mom und mir um und sagt: »Es ist nicht so, wie es scheint.«
Ach ja, Dad, wie denn dann?
»Ich habedie Wahrheit gesagt. Sie glauben mir nicht.«
Warum wohl.
Ich lasse den Kopf fallen. Ich kann ihn nicht mal angucken.
Aber Mr Bhanjee lässt sich nicht einschüchtern. Er deutet mit der Hand auf die Leinwand: »Diese E-Mail beweist gar nichts.«
»So?«, sagt der Staatsanwalt. »Dann kann mein allwissender Kollege uns vielleicht erklären, was Dr. Sabiri, ein gestandener Mann, Direktor eines Forschungslabors mit der Sicherheitsstufe vier, mit diesem Tariq Hasan zu tun haben sollte, einem jungen, arbeitslosen Kanadier, dem Anführer der Bruderschaft der Märtyrer? Vielleicht kann er uns erläutern, was für Pläne Hasan hatte, welche Dinge Dr. Sabiri ihm geben wollte und wo sich diese Gegenstände jetzt befinden.«
»Mein Mandant muss überhaupt nichts erklären«, erwidert Mr Bhanjee.
Der Staatsanwalt guckt direkt durch ihn durch. »Euer Ehren«, sagt er, »Tariq Hasan stellt eine unmittelbare Bedrohung dar. Er ist flüchtig. Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass Dr. Sabiri weiß, wo er sich befindet.«
Mr Bhanjee erhebt Einspruch. Der Richter weist ihn zurück.
Der Staatsanwalt richtet sich zu seiner vollen Größe auf. »Euer Ehren, das Heimatschutzministerium ist gegenwärtig einem weiteren Terroristen auf der Spur, einem Mann, der mit der Bruderschaft in Verbindung steht und sich in der Gegend um Rochester bewegt. Einem Mann, der möglicherweise jetzt schon im Besitz von biologischen Waffen ist.«
Tumult.
Richter Chapmann pocht mit seinem Hammer. »Ruhe.«
»Dr. Sabiri ist das Verbindungsglied zwischen der Bruderschaft und biologischen Waffen«, donnert der Staatsanwalt. »Wir glauben, dass er Kenntnis über die Identität und den Aufenthaltsort des unbekannten Terroristen hat.« Er gibt dem Richter eine Mappe, auf der
Geheim
steht. »Es ist im Interesse der öffentlichen Sicherheit, dass Dr. Sabiri in Haft bleibt, bis Hasan
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