Im Fadenkreuz der Angst
ist wegen einer Story hinter dir her. Oder ein Perverser hat dich in den Nachrichten gesehen und stellt dir nach, was weiß ich. Wichtig ist, dass sie glauben, du musst dringend weg, weil du sonst was tun oder sagen würdest, was deiner ganzen Familie Stress bringt.«
»Puh!«, unterbricht mich Andy. »Warum musst du nach Kanada?«
»Ich muss in Toronto was erledigen. Ihr könnt mich mit dem Chevy hinbringen, den ihr in eurem Ferienhaus eingemottet habt. Dauert nur ein paar Stunden. Du kannst mit Marty zu den Jays gehen, auf den CN Tower steigen, was ihr wollt. Ich erledige meine Sachen, dann treffen wir uns und fahren nach Hause. Ein Tag und das war’s, höchstens zwei. Das wird cool. Was meint ihr?«
»Ich finde das nicht cool«, sagt Andy. »Was musst du in Toronto erledigen? Warum muss es sofort sein?«
»Frag nicht, dann hast du keine Probleme.«
»Antworte nicht, dann kommst du nirgendwohin«, schießt er zurück.
Ich schlage mit der Faust auf den Tisch. »Ich habe gedacht, ihr seid meine Freunde.«
»Sind wir«, sagt Andy. »Aber du musst uns vertrauen. Worum geht’s?«
»Um Dad.« Ich versuche, möglichst sicher zu klingen. »Er sagt, er ist unschuldig. Ich weiß, es sieht schlecht aus. Aber wenn er nun recht hat? Ich muss ihm helfen.«
»Wie?«
»Indem ich die Wahrheit rauskriege. Und das bedeutet, ich muss Tariq Hasan finden.«
»Den Terroristen?«, fragt Marty, als gäb’s noch einen anderen Tariq. Tariq, den Klempner oder so.
»Genau, den Terroristen.«
Jetzt glotzen sie mich an, als wäre ich echt durchgeknallt.
»Und wie genau willst du das anstellen?«, fragt Andy mit hochgerissenen Augenbrauen.
»Erst muss ich nach Toronto. Dafür brauche ich euch. Ich habe Hasans Telefonnummer gefunden, im Internet. Ich habe sogar schon mal angerufen. Und ich habe seine Adresse.«
»Na und?«, sagt Andy. »Hasan ist abgehauen.«
»Genau«, echot Marty. »Glaubst du, der versteckt sich im Schrank oder wie? Vielleicht hinter seinem Duschvorhang? Meinst du, der denkt: ›He, das FBI ist hinter mir her, kein Problem, ich mal mich einfach weiß an und stell mich vor die Wand, dann sieht mich keiner.‹ Genau, so wird’s sein.«
»Mensch, du findest Hasan nie«, sagt Andy. »Nie mand weiß, wo er ist. Das FBI nicht. Die Sicherheitsbehörden nicht. Niemand.«
»Das stimmt nicht«, schieße ich zurück. »Es gibt immer jemanden, der was weiß. Guck doch mal, wie das bei den Gangs ist, wenn die was machen. Bei fast jeder Schießerei gibt es Zeugen. Trotzdem wird nie einer verpfiffen. Warum? Treue? Angst? Jede Menge Gründe. Und hier ist das genauso. Wo immer Hasan ist, jemand bringt ihm was zu Essen, jemand beschützt ihn. Vielleicht eine Freundin oder ein Verwandter. Auf seinem Anrufbeantworter war eine weibliche Stimme – vielleicht macht sie das, oder eine Freundin von ihr oder ein Freund von ihm oder ein Nachbar oder jemand aus seiner Gemeinde.«
»Gut«, sagt Andy. »Aber wer immer das ist, wird nichts sagen. Warum sollte er mit dir reden?«
»Weil«, ich stupse ihn auf die Brust, »ich der Sohn bin von Dr. Arman Sabiri, Direktor des Biolabors der Sicherheitsstufe vier alias Doktor Tod.«
Ich warte, bis sie das verdaut haben, dann fahre ich fort. »In der E-Mail , die vor Gericht vorgelesen wurde, stand, dass Dad ein Päckchen für Hasan gepackt hat. Die Verhaftungen erfolgten, bevor Hasan Toronto verlassen und das Zeug holen konnte. Also, wenn ich Hasan wäre, würde ich die Sachen haben wollen. Und wenn mir eine Kontaktperson mitteilt, dass der Sohn von Doktor Tod bei mir zu Hause war, würde ich mich fragen, ob der vielleicht mein Päckchen hat.«
Andy und Marty starren mich an. Nur diesmal nicht so, als wäre ich verrückt.
»Es stimmt, ich weiß nicht, wo sich Hasan versteckt«, sage ich. »Und es stimmt, dass ich ihn nicht aufstöbern kann. Aber das brauche ich auch nicht. Ich muss bloß dort auftauchen. Dann wird Hasan
mich
finden.«
Andy fällt der Unterkiefer runter. »Du machst dich zum Köder.«
Ich nicke. »Die Leute reden nicht mit Bullen. Aber ich bin keiner. Ich bin ein kleiner, dünner, braunhäutiger Junge. Total unauffällig.«
»Hör auf, das ist doch kein Videospiel«, ruft Marty. »Echt mal, Sammy, du bist doch kein Held. Du kannst dich ja nicht mal gegen diesen Eddy von deiner Schule wehren.«
»Scheiß auf Eddy. Hier geht’s um meinen Dad. Das raffst du doch, oder?«
»Ich verstehe nur, dass das Ding hier absolut jenseitig ist. Das ist hinter der Schallmauer.
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