Im Fadenkreuz der Angst
ist hier los?«Die Typen lassen mich aufs Klo fallen und rennen weg und ich liege auf den Knien und schluchze und kann nicht aufhören, kann nicht aufhören, und Mr Bernstein kniet neben mir und nimmt mich in die Arme und sagt: »Schon gut, schon gut, sie sind weg.«
Doch sie sind wieder da.
»Schwuchteln!«, ruft Eddy und filmt mit seinem Handy, wie Bernstein mich im Arm hält.
Mr Bernstein hebt den Kopf. »Verschwindet!«
Aber Eddy ist schon im Korridor. »Schwuchteln auf dem Klo! Das müsst ihr sehen! Auf unserem Klo sind zwei Schwuchteln!«
Die erste Stunde beginnt, aber Mr Bernstein wäscht mir den Dreck ab und bringt mich ins Sekretariat. Seine Klasse ist ohne Aufsicht, aber er sagt, das hier sei wichtiger. Er berichtet der Sekretärin von dem Vorfall und bittet um ein Gespräch mit Mr McGregor.
»Mr McGregor hat eine Besprechung mit Mr Samuels«, sagt Ms James. »Ich lasse Sie rufen, sobald er fertig ist.«
Wir gehen zu Mr Bernsteins Klassenraum. Schon auf halbem Weg hören wir lautes Gebrüll aus der Klasse. Lehrer stecken die Köpfe aus den Türen. Als wir die Klasse betreten, beiße ich die Zähne zusammen.
Die ganze Klasse drängt sich um Eddy. Er zeigt seine Aufnahmen.
Als sie uns sehen, erstarren sie.
»Setzen Sie sich!«, bellt Mr Bernstein. Er wirft Eddy einen eiskalten Blick zu. »Ab ins Sekretariat. Sofort.«
Eddy zwinkert den anderen zu und latscht zur Tür,wobei er immer noch sein Handy hochhält. Sekunden später ist auf dem Korridor die Hölle los. Mir wird übel. Er hat die Bilder verschickt. Ich wette, die ganze Schule sieht sie. Ich wette, Eddy hat sie bei YouTube reingestellt.
Mr Bernstein beginnt seinen Unterricht, aber kaum zehn Minuten später klopft es an der Tür. Ein Vertretungslehrer. »Mr Samuels und Mr McGregor möchten Sie und Sabiri sprechen«, sagt er. »Ich soll hier die Stellung halten.«
Als Mr Bernstein und ich das Sekretariat erreichen, kommt Eddy uns entgegen.
»Gehen Sie wieder rein«, befiehlt Mr Bernstein.
»Mr Samuels hat gesagt, ich kann gehen,
Sir .«
Eddy grinst süffisant und will weiter.
Mr Bernstein läuft rot an, aber er hat jetzt keine Zeit für Eddy. »Warten Sie hier auf mich«, sagt er zu mir und deutet auf die Bank neben der Anmeldung, dann stürmt er an Ms James vorbei ins Büro von Mr Samuels. »Wieso ist Eddy Harrison draußen auf dem Flur?«, will er wissen. »Ich habe ihn zu Ihnen geschickt, damit er zur Rechenschaft gezogen wird.«
»Es geht hier nicht um Eddy Harrison«, sagt Mr Samuels. »Vielleicht sollten Sie lieber die Tür hinter sich schließen.«
»Nein. Was immer Sie mir zu sagen haben, können Sie laut sagen.«
»Wie Sie wünschen, Mr Bernstein. Mr McGregor und ich haben äußerst beunruhigende Bilder gesehen.«
»Ich habe einen Jungen getröstet, den andere Jungen mit dem Kopf in die Kloschüssel gesteckt haben.«
»Für uns zählt nur, was wir gesehen haben und was die Eltern unserer Schüler zu sehen bekommen werden«, sagt Mr McGregor.
Mr Samuels fügt hinzu. »In dieser Woche wurde unsere Schule bereits in enge Verbindung mit Terroristen gebracht. Diese Fotos von Ihnen haben uns gerade noch gefehlt. Unsere Schule ist eine hoch geachtete Lehranstalt. Wir sind nicht bereit, unseren guten Ruf aufs Spiel zu setzen. Tun Sie sich einen Gefallen, Isaac. Lassen Sie sich aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand versetzen. Wir zahlen Ihnen eine Abfindung.«
»Soll das ein Witz sein?«, ruft Mr Bernstein. »Wegen dieses Vorfalls?«
»Nein«, sagt Mr Samuels. »Betrachten Sie dies als den letzten Tropfen. Es gibt schon seit Jahren Beschwerden über Ihre Unterrichtsmethoden. Allein gestern kamen drei E-Mails von wütenden Eltern, deren Söhne ihnen erzählt haben, dass Sie sie mit Nazis verglichen haben.«
»Das habe ich nicht getan.«
»Möchten Sie eine öffentliche Untersuchung riskieren? Außerdem gibt es Beschwerden, weil es in Ihrem Unterricht an Disziplin mangelt: Neulich soll während der Stunde ein Feuerwerkskörper gezündet worden sein. Isaac, Sie haben viele Jahre an unserer Schule unterrichtet und hatten eine gute Zeit. Wir würden sehr bedauern, wenn sie ein unschönes Ende nähme. Sie haben die Wahl.«
Ein langes Schweigen.
»Was wird mit Sabiri?«, fragt Mr Bernstein.
»Sabiri hat Schuleigentum zerstört, hat im Unterricht geflucht und war auf dem Schulgelände in eine Schlägerei verwickelt«, sagt Mr McGregor. »Wir haben alles versucht, ihn zur Räson zu bringen. Schularrest.
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