Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)

Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)

Titel: Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeaniene Frost
Vom Netzwerk:
zickzackförmige Narbe verdeckten. Mein Haar war zu einem Dutt hochgesteckt, unter dem ein diamantgeschmückter Clip meinen durchsichtigen, ebenfalls mit Perlen verzierten langen Schleier hielt. Noch war das Vorderteil zurückgeschlagen, für den Fall, dass mein Make-up noch letzter Auffrischungen bedurfte.
    Nein, das Mädchen im Spiegel sah nicht aus, als hätte es unter Einsamkeit, Isolation oder Visionen von schlimmen Gräueltaten zu leiden. Das Mädchen im Spiegel wirkte glücklich. Fast hätte man das Wort »gesegnet« bemühen mögen. Kaum verwunderlich, wie schwer es mir fiel zu glauben, dass ich das war.
    Gretchens Gestalt tauchte im Spiegel auf. »Denk nicht mal dran, beim Gelübde zu heulen. Du ruinierst dir das Make-up.«
    Der Kommentar meiner Schwester holte mich aus der Unwirklichkeit meiner Situation in die Realität zurück, aber das war okay. Sie war da, gekleidet in ein trägerloses amethystfarbenes Satinkleid, das Kurven betonte, die sich bei mir nur durch kreative Schnittführung vortäuschen ließen. Ihr schulterlanges schwarzes Haar war hochgesteckt, was ihr eine kultivierte Ausstrahlung verlieh, und ihr dunkles Augen-Make-up ließ sie älter als zweiundzwanzig wirken.
    »Du siehst toll aus«, sagte ich zu ihr.
    »Nein«, antwortete sie, und ihre Stimme wurde weich. »Du siehst toll aus.«
    Dann schloss sie mich zu meiner Überraschung in die Arme. Durch das Haarspray und die Bodylotion hindurch konnte ich ihren Körpergeruch nach Zitronen und Meeresbrandung wahrnehmen. Ich atmete ein und wusste, dass ich bei diesem Geruch ab jetzt immer an meine Schwester würde denken müssen.
    Sie ließ mit einem Schnauben von mir ab. »Hast du gerade an mir geschnuppert ?«
    Ich nickte verlegen. »Das ganze Blut, das Vlad mir verabreicht hat, hat mehr als nur mein Gehör geschärft.«
    Wieder ein Schnauben. »Du wirst mit jedem Tag seltsamer, weißt du das?« Dann sah sie sich um, doch die drei Schneidermeisterinnen waren fort. »Und, rieche ich okay? An Parfum ist hier nämlich für Geld und gute Worte nicht ranzukommen.«
    In einem Haus voller Leute mit hyperaktivem Geruchssinn? Ganz bestimmt nicht. Auf Vampire wirkte Parfum wie eine chemische Keule.
    »Du riechst gut«, versicherte ich ihr.
    Es klopfte an der Tür. Gretchen öffnete, und Marty erschien. Er trug einen schwarzen Smoking, der ihm gerade erst auf den Leib geschneidert worden sein musste, weil er selbst keinen besaß, und er passte ihm wie angegossen. Seine buschigen Koteletten waren ordentlich gestutzt, und sein dichtes schwarzes Haar streng zurückgekämmt, was seiner förmlichen Aufmachung einen verwegenen Touch verlieh.
    »Es ist Zeit«, sagte er. Dann geriet er ins Stutzen. »Wow, Kind. Ihr beide«, fügte er hastig hinzu.
    Ich drehte mich, damit Marty mein Kleid vollständig begutachten konnte, immer darauf bedacht, nicht über meine Schleppe zu stolpern. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass Sinead, Frances und Bertrice das in sechs Stunden geschafft haben. Diese Vampirinnen haben so schnell genäht, dass beinahe das Garn Feuer gefangen hätte.«
    Meine Stimme verebbte, als noch jemand hinter Marty auftauchte. Hugh Dalton trug ebenfalls einen Smoking, und sein grauschwarzes Haar war frisch geschnitten. Die Falten in seinem Gesicht wirkten ausgeprägter, doch seine zu einem Schlitz zusammengepressten Lippen wurden etwas weicher, als er mich ansah.
    »Egal, was ich davon halte, Leila, du bist meine Tochter, also schreitest du nicht allein zum Altar.«
    Ich schluckte schwer. Gretchen zischte: »Augen-Make-up!«, und stieß mich mit dem Ellbogen an, aber auch ihre Augen hatten einen feuchten Glanz bekommen. Es war schon zu lange her, seit wir zuletzt etwas gemeinsam als Familie unternommen hatten.
    Marty nahm Gretchens Arm. »Na komm, Schönste. Ich zeig dir den Weg.«
    Sie zupfte noch ein letztes Mal ihr Haar zurecht und warf mir dann eine Kusshand zu. »Bis bald, Schwesterchen.«
    Die beiden gingen. Mein Vater sah mich unverwandt an. Dann stieß er einen Seufzer aus, der aus seinem tiefsten Inneren zu kommen schien.
    »Bist du dir sicher, dass du das willst?«
    »Ich bin mir sicher«, antwortete ich mit fester Stimme.
    Er nahm meinen Arm. Meine neuen elfenbeinfarbenen Iso-Handschuhe reichten mir nur bis zu den Handgelenken, sodass er einen Schlag abbekam, aber er verbarg sein Zucken hinter einem angestrengten Lächeln.
    »Ich hatte befürchtet, dass du das sagen würdest.«
    Ich erkannte den zweiten Stock kaum wieder. Die normale

Weitere Kostenlose Bücher