Im Feuer der Begierde: Roman (German Edition)
war. Schließlich drehte er den Kopf langsam in meine Richtung, und unsere Blicke trafen sich.
Vage Überraschung drängte sich in mein schwindendes Bewusstsein. Ich hatte zwar kein Mitgefühl von ihm erwartet, aber ich war auch nicht auf die Mischung aus Erleichterung und Stolz gefasst gewesen, die ihm im Gesicht geschrieben stand. Die Erleichterung war ja noch nachvollziehbar; er wollte mich tot sehen, und dem schmerzhaften Engegefühl in meiner Brust nach zu urteilen, würde sein Wunsch bald in Erfüllung gehen. Warum aber Stolz? Er hatte doch nichts damit zu tun, dass ich meine Fähigkeiten überstrapaziert hatte und nun kurz vor dem Tod stand …
Viel zu spät dämmerte es mir.
Wie konntest du ihren Zauberbann brechen und zu ihr durchkommen?, hatte Shrapnel mich gefragt. Ich hatte geglaubt, die brünette Vampirin hätte bloß irgendeinen Hokuspokus veranstaltet, um ihr Gesicht zu verbergen, wenn ich eine telepathische Verbindung zu ihr herstellte, aber da war mehr dran.
Der Zauber sollte mich auch töten.
35
»Leila!«
Die Stimme meiner Schwester durchdrang den vernichtenden Schmerz, der mich dazu brachte, mich in Fötusstellung zusammenkauern oder sterben zu wollen, je nachdem, was weniger wehtat. Gretchen. Klingt ängstlich, konnte ich trotz meiner Höllenqualen noch denken, gefolgt von einer unheilvollen Erinnerung. Die Limousine brennt.
Ich stemmte mich auf die Knie und stieß einen gurgelnden Schrei aus. In meinem immer dunkler werdenden Gesichtsfeld konnte ich einen orangefarbenen Schein erkennen. Die Flammen hatten sich weiter an dem Fahrzeug emporgearbeitet. Jeden Augenblick konnten sie den leckenden Tank erreichen.
Ich stürzte auf den Wagen zu und spuckte Blut, als ich trotz des Druckgefühls in der Brust Atem zu schöpfen versuchte. Alles war so verschwommen, dass ich das Messer, das ich hatte fallen lassen, nicht finden konnte, und ich fühlte mich, als würde ich selbst in Flammen stehen. Vielleicht stimmte das ja, und ich merkte es bloß nicht. Aber ich durfte nicht aufgeben. Ich konzentrierte mich auf die Schreie meiner Schwester, die wie ein Adrenalinstoß wirkten und mir die nötige Kraft verliehen, mich weiter vorwärtszuschleppen. Als ich schließlich strauchelte, stieß ich seitlich mit dem Wagen zusammen.
Mir war inzwischen vollends schwarz vor Augen, und Gretchens Stimme klang auch schon schwächer, aber mein Verstand funktionierte noch. Mit der linken Hand fummelte ich herum, bis ich den Verschluss von Gretchens Sicherheitsgurt ertastet hatte. Dann fuhr ich mir mit der rechten Hand über den Arm, bis ich den Gurtverschluss erreichte. Mit dem letzten bisschen Energie, das noch in mir war, feuerte ich einen Energiestoß darauf ab.
Das plötzliche Gewicht, das auf meine Schultern sackte, war das Wundervollste, was ich je gespürt hatte.
»Bring Sandra in Sicherheit«, versuchte ich zu sagen, aber es kam nur ein unverständliches Gurgeln aus meiner Kehle.
Etwas versetzte mir einen heftigen Stoß, und meine Schmerzen wurden noch stärker. Ist Shrapnel zurückgekommen?, fragte ich mich, aber als ein herrliches Taubheitsgefühl mich zu überwältigen begann, kümmerte es mich nicht länger. Nicht gut , warnte mich mein letztes bisschen gesunder Menschenverstand. Nicht ohnmächtig werden! Du wachst nicht wieder auf!
Ich versuchte, mich durch die Dunkelheit und das verführerisch angenehme Gefühl des schwindenden Schmerzes hindurchzukämpfen. Es war, als versuchte ich in Treibsand zu schwimmen – je mehr ich kämpfte, desto tiefer versank ich. Dann spürte ich, wie jemand mich brutal wegschleifte, und mein Bewusstsein kehrte zurück. Meine Rippen fühlten sich an wie Zweige, die jemand in mir zerbrochen hatte, aber ich schaffte es dennoch, ein paarmal keuchend Luft zu holen. Das und der mich erneut bestürmende Schmerz vertrieben die verhängnisvolle Lethargie.
Das Feuer hatte den Tank erreicht.
Durch die engen Schlitze meiner fast geschlossenen Lider erkannte ich, dass ich mich hinter einigen Bäumen befand, deren Stämme mich vor der Explosion schützten. Sandra lag ohnmächtig in der Nähe, und Gretchen …
Ich halluzinierte wohl. Oder hockte meine Schwester gerade tatsächlich fünf Meter entfernt auf Shrapnel? Sie hatte ihm das Messer, mit dem er Oscar umgebracht hatte, in die Brust gestoßen und machte zwar ein entsetztes Gesicht, hielt das Heft aber trotzdem mit beiden Händen fest umklammert.
»Wehe, du versuchst irgendwelche krummen Dinger«, keuchte sie.
Shrapnels
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