Im Feuer der Nacht
holt.“
„Ich dachte, Sie hätten die Unterstützung von Ratsherrn LeBon. Der könnte doch sicher jedes derartige Unterfangen im Keim ersticken.“
Ein kurzes Schweigen trat ein. „Anscheinend hat Ashaya meine Abwesenheit genutzt, um ihn davon zu überzeugen, dass meine Ergebnisse wertlos sind. Ich brauche Jonquil Duchslaya, um das Gegenteil zu beweisen– und Talin McKade weiß sicherlich, wo er sich gerade befindet. Sie wird mir außerdem einen neuen Zugang zu den Daten von Shine beschaffen können.“
„Glauben Sie, Ratsherr LeBon wird Ihnen gestatten, die Experimente fortzusetzen?“
„Ja, natürlich, sobald ich zurückkehren und ihm die wahren Resultate vorführen kann.“
„Warum wollen Sie überhaupt weitermachen?“
„Zweifeln Sie etwa an meiner Urteilsfähigkeit?“
„Die Ergebnisse beweisen doch, dass die Gehirne der Vergessenen sich von den unseren unterscheiden. Deshalb kann man sie auch nicht zu Testzwecken verwenden.“
„Darum geht es überhaupt nicht.“ Die Stimme des Mannes hatte einen Ton angenommen, als wolle er sie in ein Geheimnis einweihen. „Ich will herausfinden, was aus ihnen geworden ist, um einer möglichen Bedrohung für die Medialen zuvorzukommen.“
„Die Annahme ist unlogisch“, sagte die Frau. „Sie stellen keine Bedrohung dar, ihre Fähigkeiten haben sich verändert, sind schwächer–“
„Verändert ja, aber nicht notwendigerweise schwächer.“ Etwas raschelte, Clay vermutete Papier. „Wo versteckt sie sich bloß? Unseren Erkundungen nach ist sie nicht zu ihrer Adoptivfamilie zurückgekehrt, und sie hat auch keine engen Freunde.“
„Ihr Ansatz ist nicht besonders sinnvoll.“ Die Frau gab nicht auf, das musste man ihr zugutehalten– wenn sie wirklich loyal zu Ashaya stand, würde sie am Leben bleiben. „Talin McKade hat keine so hohe Stellung bei Shine , dass sie uns die notwendigen Informationen beschaffen könnte.“
„Sie hat Zugang zu den Computern. Mehr brauchen wir nicht. Sobald wir ihren Schild durchbrochen haben und über sie verfügen, können wir sie nach den Informationen suchen lassen, die wir brauchen. Es wird mehr Energie kosten, als wenn sie kooperieren würde, aber es wird funktionieren.“
„Meine Energie?“
„Ich muss für die Experimente voll funktionsfähig bleiben.“
Schweigen, dann hörte man, wie sich die Frau im Raum bewegte. Zehn Minuten später verließen beide die Wohnung.
„Dorian?“
„Ich hab sie“, sagte Dorian kalt und konzentriert. „Sie sind gerade an einem Fenster im siebten Stock vorbeigegangen, Richtung Treppe.“
„Kommt hin“, murmelte Lukas. „Sie wollen bestimmt die Überwachungskameras in den Fahrstühlen vermeiden.“
Sie blieben in Kontakt, während sie den Medialen den Weg abschnitten.
„Luc“, sagte Clay, „kannst du dir die Frau vornehmen?“
„Dorian, trenn die beiden“, befahl Lucas.
„Sie sind am Ausgang“, sagte Dorian. „Ich benutze den Schalldämpfer.“
Kurz darauf hörte man den Aufschrei einer Frau, dann rannte jemand weg, schwere Männerschritte folgten. Lucas war hinter der Frau her.
„Judd– wir müssen alles in Erfahrung bringen, was sie weiß“, sagte Clay in dem Moment, als Larsen die Allee entlanglief, in deren Schatten er sich verbarg.
„Ich kümmere mich darum.“
Die beiden würden die Frau auf jeden Fall einholen. Mit dieser Gewissheit im Hinterkopf jagte Clay der Bestie nach, die so viele Kinder getötet hatte. Wenn es um Schnelligkeit und körperliche Stärke ging, war ein Gestaltwandler einem Medialen allemal überlegen. Nur Sekunden später hatte Clay so weit aufgeholt, dass er Larsen nach Jons Beschreibung identifizieren konnte.
„Judd– könnte er Telepathie benutzen?“, fragte Clay, als er dem Mann aus dem Wohnviertel in ein Einkaufszentrum folgte, dessen Kaufhäuser nachts einsam und verlassen dalagen. Nebel kam auf, aber der Leopard konnte weiterhin ausgezeichnet sehen, und sein Geruchssinn war darauf trainiert, Beute aufzuspüren.
„Wenn wir Glück haben, ist er zu erregt, um zu senden. Aber das bleibt bestimmt nicht so.“
„Hat er Lucas gesehen?“
„Nein.“ Judd hörte sich an, als würde er auch rennen. „Ich blockiere die Gedanken der Frau, aber sie ist viel zu erschöpft, um etwas zu senden. Wir haben sie gleich.“
Die Verbindung brach ab.
Clay wartete. Da Larsen Lucas nicht gesehen hatte, wusste er auch nichts von einer Beteiligung der Gestaltwandler. Selbst wenn er eine telepathische Nachricht durchgab, konnte er
Weitere Kostenlose Bücher