Im Feuer der Nacht
schlampige Entsorgung der Leichen und sogar der Schlamassel in Talins Wohnung.“
„Psychologische Kriegsführung.“
„Nein.“ Clay schüttelte den Kopf. „Ich hab es mir heute noch einmal angesehen. Was sie getan haben, war grausam und brutal.“ Es musste Tally wehgetan haben, all die Bilder zu verlieren. Clay würde ihr jedes einzelne ersetzen. „Das Ganze wirkt irgendwie sinnlos.“
Lucas’ Worte erfolgten so scharf wie Schwerthiebe. „Du meinst, wir haben es mit einem Psychopathen zu tun, der die Experimente nur benutzt, um sich an Kindern zu vergreifen?“
„Ja.“ Das hatte ihn an den Fotos der malträtierten Körper irritiert– genauso wie wahrscheinlich auch Tamsyn. Jemand musste Spaß an dieser Brutalität gehabt haben. Hatte diese Kinder nur deshalb verletzt und ermordet, weil er die Macht dazu hatte. „Noch schlimmer, ich glaube, er hat alle Hemmungen verloren– der Rat hätte ein völliges Verschwinden der Opfer noch hinnehmen können. Aber Larsen wollte, dass sie gefunden werden, weil er auf sich aufmerksam machen will.“
„Wenn das stimmt“, fügte Dorian hinzu, „dann ist im Medialnet wirklich der Teufel los.“
„Weil ihrer Wachsamkeit in letzter Zeit zu viele Dinge entgangen sind?“, fragte Lucas.
„Überlegt doch mal. Vor Enrique“– Dorians Stimme wurde kalt wie Eis, als er den Mörder seiner Schwester beim Namen nannte– „haben wir nicht einmal gewusst, dass es solche Gewalttätigkeiten bei Medialen überhaupt gibt. Aber danach gab es diesen Serienmörder, der hinter Faith her war, und jetzt das hier.“
Zu der Zeit, als Faith von Mordvisionen verfolgt worden war, war Clay so wild geworden, dass er vorgeschlagen hatte, die Medialen sollten ihre Fehler selber ausbügeln. Ihm war alles egal gewesen. Doch nun handelte es sich um Tally, um die er sich schrecklich sorgte. Sie konnte ihn schneller als jeder andere ärgern, dachte er mit einem Lächeln, aber wenn sie in seinen Armen schmolz, war sie reinster Honig.
„Es gab noch weitere Vorfälle.“ Judds Kommentar unterbrach seine Gedanken. „Manche Mörder konnten sie zum Schweigen bringen, andere dagegen wehrten sich.“
„Warum gibt es denn jetzt auf einmal mehr Anzeichen für eine Auflösung?“, fragte Lucas. „An dem Anschlag kann es nicht liegen, der hat ja gerade erst stattgefunden.“
„Aber immer mehr Gegenstimmen finden immer mehr Gehör– das Medialnet ist eine psychische Konstruktion. Alles, was dort passiert, beeinflusst die angeschlossenen Gehirne.“
„Soll das heißen, je instabiler dieses Netz wird, desto häufiger werden wir ungeheuerliche Dinge zu sehen bekommen?“ Dorian stöhnte angewidert auf.
„Ja. Trotz der eigenen mörderischen Tendenzen hat der Rat– in Verbindung mit Silentium– die Mehrheit der wirklich Verrückten unter Kontrolle gehabt.“ Judd zögerte. „Man zahlt immer einen Preis für die Freiheit.“
Lucas fluchte. „Wenn der Rat seinen Aufgaben nicht mehr nachkommt, trifft das nicht nur die Medialen, sondern auch Gestaltwandler und Menschen.“
„Die größte Gefahr liegt in einem unkontrollierten Bruch mit Silentium. In dem sich daraus ergebenden Chaos könnten wir Millionen aller drei Arten verlieren.“
„Verteidigst du etwa Silentium?“, fragte Dorian überrascht.
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„Silentium ist damals nicht ohne Grund eingeführt worden. Ohne dieses Programm wäre ich längst tot.“ Judd klang ganz sachlich. „Es hat sich zwar letztlich nicht als optimal erwiesen, aber zu dem Zustand davor können wir auf keinen Fall zurückkehren– zu all den Morden und den Wahnsinnigen.“ Er ballte die Fäuste.
„Wie schlimm könnte es denn werden?“, fragte Clay.
„Es werden schon Maßnahmen ergriffen“, sagte Judd, „aber die Verluste werden… enorm sein. Nicht nur durch den psychischen Schock, sondern auch durch die Erweckung monströser Begierden, die durch Silentium unterdrückt wurden. Wie bei diesem Wissenschaftler– vor den Rissen im Medialnet hätte er nie seinen Instinkten nachgegeben.“
Clay fletschte die Zähne. „Das heißt, der psychopathische Killer kann nicht mehr klar denken.“ Mediale waren perfekte Serienmörder, weil sie kaum Fehler machten. Aber wenn sich bei diesem die Strukturen auflösten… „Er wird kommen und an derjenigen Vergeltung üben wollen, die ihm den Spaß verdorben hat.“
„Und wenn er und seine Kumpane heute nicht auftauchen?“, fragte Judd. „Kommen wir dann morgen wieder? Und übermorgen?“
„Ja.“ Clay sah
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