Im Feuer der Nacht
Bedeutung gehabt. Es waren gesichtslose, namenlose Körper. Keiner hatte in ihr irgendwelche Gefühle geweckt oder ihr gar Lust bereitet.
Als sie über ihre unbegreifliche Promiskuität vor langer Zeit mit der Therapeutin gesprochen hatte, hatte sie Kritik erwartet, aber diese hatte nur genickt. „Sie bestrafen sich selbst“, sagte sie. „Strafe soll wehtun. Und es tut doch weh, nicht wahr?“
Die Therapeutin hatte recht gehabt, Talin hatte zwar nicht genug Vertrauen zu ihr gefasst, um eine längerfristige Behandlung zu beginnen, aber sie hatte ihr immerhin geholfen, einen Weg aus diesem schmerzhaften Morast heraus zu finden. Nie hatte sie sich so allein und so kalt gefühlt wie beim Sex. Niemals hatte sie etwas Ähnliches verspürt wie dieses dunkle, heiße Verlangen, das gerade in ihr aufstieg.
Ihr Gesicht wurde ganz heiß, Scham verdrängte kurzfristig jedes andere Gefühl. Sie spürte ein Schwellen ihrer Brüste, ihr Blut pulsierte an Stellen, die sie normalerweise gar nicht spürte. „Nein.“ Sie konnte sich dieser Lust nicht hingeben. Nicht bei Clay.
Denn er verabscheute sie.
Die Erinnerung an diese Szene goss sich wie Eiswasser über ihre Empfindungen. Sie war froh darüber. Es bestürzte sie, auf diese Weise an Clay zu denken. Trotz ihrer langen Trennung und obwohl er so wütend auf sie war– und sie unerklärlicherweise auch auf ihn–, hielt sie ihn noch immer für ihren Freund, den einzigen, dem sie rückhaltlos vertraute. Sie wollte diese wertvolle Beziehung nicht gefährden. Sex zerstörte alles und jeden, wenn man ihn zuließ.
Zugegeben, ihre Sicht von Sex war vielleicht etwas verdreht durch die Dinge, die man ihr als Kind angetan hatte. Aber man konnte eine Tatsache nicht leugnen: Lust war vergänglich. Und dann war alles vorbei. „Adieu, hoffentlich begegnen wir uns nicht noch einmal.“ Die wenigen Beziehungen, die dieses Stadium überlebten, waren so wie die zu den Larkspurs– herzlich, stabil und freundlich, ohne die überwältigenden Gefühle von Lust. Aber so etwas wäre für sie und Clay keine Option.
Er war viel zu leidenschaftlich. Eine Frau, die es mit ihm aufnehmen wollte, musste furchtlos sein, genug Kraft haben, um seiner dominanten Art zu widerstehen, und genug Liebe, um trotz seiner dunklen Träume zu ihm zu halten. Ihre Hände ballten sich so stark, dass sie die Fingernägel in ihren Handflächen spürte. Allein die Vorstellung, Clay könnte mit einer anderen–
Sie schluckte einen Fluch hinunter, öffnete die Bodenklappe und stieg nach unten.
Sie traf Clay im zweiten Stock in der kleinen Küche. „Iss etwas.“ Er schob ihr einen Teller zu und zog einen Stuhl an den kleinen Tisch heran.
Noch vor einer Sekunde hätte sie geschworen, ihr Magen sei viel zu durcheinander, um irgendetwas aufnehmen zu können. Aber jetzt knurrte er. Sie setzte sich hin. „Danke.“ Er hatte Eier und Toast für sie gemacht. Ein einfaches Mahl. Bis auf den Muffin, der danebenlag. Ihr Appetit schwand sofort. „Faith?“ Sie hob das anstößige Backwerk hoch, konnte sich gerade noch davon abhalten, es in der Hand zu zerquetschen.
Er stellte einen Teller für sich auf den Tisch und setzte sich ihr gegenüber. „Tamsyn“, sagte er und kniff die Katzenaugen zusammen. „Sie schleicht sich manchmal rein und stellt Sachen in den Kühlschrank.“
Talin konnte die Spannung nicht aushalten. Dieser blöde Muffin. „Und wer ist sie?“
„Die Frau von Nathan.“
Das ließ ihre aufkeimende Eifersucht in sich zusammenfallen. „Und Faith?“
Seine Mundwinkel hoben sich ein wenig, und ihr wurde plötzlich warm. „Vorsicht, Tally. Man kann deine Krallen sehen.“
„Ich bin ein Mensch“, gab sie zurück, sie wusste, dass sie sich über dieses kleine Zeichen von Tauwetter nicht so sehr freuen sollte, aber sie tat es dennoch. „Ich kann mir höchstens die Nägel wachsen lassen.“ Sie sah auf ihre kurz geschnittenen Fingernägel. „Und nicht einmal darin bin ich besonders gut.“ Er konnte bis in alle Ewigkeit warten, wenn er glaubte, sie würde ihn noch einmal nach Faith fragen. Sie nahm ein paar Gabeln voll Ei.
Clay hatte bereits fertig gegessen und trank Kaffee. „Faith ist die Partnerin von Vaughn“, sagte er und sah sie über den Rand der Tasse hinweg an. „Kaffee?“
Sie hielt ihm ihre Tasse hin und kam sich unglaublich dumm vor. „Nathan und Vaughn sind deine Freunde?“
„Ja, genau wie Tammy und Faith.“
Sie war erschüttert. Der Clay, den sie kannte, war ihr einziger Freund,
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