Im Feuer der Nacht
Sicherheit ihres Sohnes zu sorgen. Kann man das hoch genug einschätzen? Mein Gewissen will einfach nicht zur Ruhe kommen. Es will einfach nicht. Es muss mehr geben, was ich tun kann.«
Seine Lippen zuckten, ohne dass er lächelte oder gar lachte. Er ergriff ihren Arm und zog sie die Gasse entlang. »Die Angelegenheit betrifft nicht nur Sie allein. Ich habe auch ein Versprechen abgegeben. Gegenüber Jemmie. Ja, ich verstehe Sie vollkommen, und Sie haben recht, dass wir ihn zurückholen und ins Findelhaus bringen müssen, wo er hingehört.«
Penelope bemerkte, dass sie sich von der Tür entfernte, als er sie sanft fortzog.
Er fing ihren Blick auf, als sie den Kopf hob. »Ich habe noch ein Versprechen abgegeben, falls Sie sich erinnern. Ihnen habe ich auch versprochen, dass wir Jemmie zurückholen werden. Und ich habe vor, mein Versprechen zu halten, so wie wir beide das Wort halten wollen, das wir Jemmie und seiner Mutter gegeben haben. Aber dazu werden wir nicht in der Lage sein, wenn wir es zulassen, dass wir den Faden verlieren, nur weil wir uns aus purem Selbstzweck in irgendwelche sinnlosen Unternehmungen stürzen. Um unser Gewissen zu beruhigen. Ja, natürlich müssen wir etwas unternehmen. Aber wir müssen auch vernünftig und logisch Vorgehen. Das ist der einzige Weg, diese Lumpen zur Strecke zu bringen und die unschuldigen Kinder zu retten.«
Penelope musterte ihn aufmerksam, schaute dann aber wieder geradeaus, als sie im nebligen Licht auf dem geschäftigen Arnold Circus auftauchten. »Sie klingen so offen und ehrlich.«
Er drängte sie in die Richtung der wartenden Droschke. »Ich bin es auch. Was es nicht einfacher macht. Aber es ist genau das, was wir tun müssen. Wir müssen sämtliche Gefühle beiseiteschieben und uns auf unser Ziel konzentrieren.«
Penelope atmete geräuschvoll aus. Am liebsten hätte sie einen Streit vom Zaun gebrochen, nur weil sie innerlich höllische Qualen durchlitt. Aber ... er hatte recht. Barnaby öffnete die Droschkentür und half ihr hinein; sie wartete, bis er neben ihr Platz genommen hatte und die Kutsche losgefahren war, bevor sie wieder das Wort ergriff. »In Ordnung. Ich werde mich meinem Gewissen nicht unterwerfen, jedenfalls nicht durch überstürzte Handlungen. Wie sieht also unser nächster Schritt aus, vernünftig und logisch betrachtet?«
Ihr Ton war zwar schnippisch, aber Barnaby war zufrieden. Solange sie schnippisch mit ihm sprach, sorgte sie dafür, dass die Situation sie nicht überwältigte. Der verlorene Blick, mit dem sie auf die Tür zu Mrs. Carters Haus geschaut hatte, hatte das Blut heißer durch seine Adern pulsieren lassen, umso mehr, weil er wusste, wie sie sich fühlte. Aber er kannte die Lage aus früheren Ermittlungen, und er kannte auch den Ausweg. »Wir müssen Stokes über das informieren, was wir erfahren haben. Es ist vielleicht nicht viel, aber er wird schon wissen, wie er das Beste daraus machen kann. Jenks’ Beschreibung war ziemlich mager. Aber vielleicht fügt es sich im Hirn irgendeines Sergeanten zu einem Bild zusammen.«
Es war früher Mittag. Barnaby hatte dem Kutscher befohlen, nach Mayfair zurückzufahren. Im Findelhaus hatten sie vor der Fahrt ins East End vorbeigeschaut und mussten sich dort nicht mehr zeigen. »Wir sollten etwas essen. Anschließend können wir Scotland Yard aufsuchen.«
Penelope nickte. »Und nachdem wir Stokes informiert haben, sollten wir wirklich mit Griselda sprechen.«
Stokes war derselbe Gedanke durch den Kopf gegangen. Kurz nach zwei Uhr traf er im Laden in der St. John’s Wood High Street ein.
Diesmal lächelten die Lehrmädchen ihn an, und eine der beiden rannte sofort in den hinteren Bereich, um Miss Martin über seine Anwesenheit zu informieren.
Mit einem Lächeln auf den Lippen erschien Griselda am Vorhang.
Er erwiderte das Lächeln, recht freundlich, wie er vermutete, aber sie schien seine untergründige Anspannung zu spüren. Ihre Miene wurde ernst; sie neigte den Kopf und warf ihm einen einladenden Blick zu. »Bitte, kommen Sie durch.«
Stokes ging an den Mädchen vorbei in die Küche und ließ den Vorhang hinter sich zufallen. Wie zuvor war der Tisch mit Federn und Bändern bedeckt, und eine modische Haube, deren Verzierung halb fertig war, lag in der Mitte. »Ich habe Sie bei der Arbeit gestört«, meinte er.
Griselda verzog das Gesicht. »Was ist los?«
Er suchte ihren Blick, schaute dann zurück auf den Vorhang. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich es vorziehen, oben
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