Im Feuer der Nacht
aber es ist immerhin etwas. Außerdem passt es zeitlich zu der Vermutung des Doktors, wann sie ermordet worden ist. Das heißt, dass die Verbrecher höchstwahrscheinlich nicht nur für die Entführung, sondern auch für Mrs. Carters Tod verantwortlich sind.« Er dachte kurz nach, fügte dann hinzu: »Auf dem Rückweg werde ich in der Liverpool Street vorbeifahren und dafür sorgen, dass man Jenks’ Beschreibung ebenfalls herausgibt. Keiner der Männer mag zu erkennen sein, wenn er einzeln auftritt. Aber zusammen ... die Beschreibung ist vielleicht nützlicher, als sie klingt.«
»Stimmt«, meinte Barnaby, »und es wird langsam dringend, die Jungen zu finden. Wir wissen von fünfen, die sie in ihrer Gewalt haben. Aber vielleicht sind es auch viel mehr ... Jungen, von denen wir noch nichts gehört haben. Wir können nicht warten, bis uns über ihr Verschwinden berichtet wird.«
»Genau darüber habe ich bei Ihrer Ankunft gesprochen.« Griselda lehnte sich vor. »Ich hatte die Absicht, morgen meinen Vater zu besuchen, um zu hören, ob er vielleicht noch mehr über die fünf Namen auf der Liste erfahren hat. Das werde ich als Erstes erledigen. Dann werde ich mich umhören, ob ich irgendetwas erfahren kann, was uns wirklich weiterbringt. Es hängt davon ab, was mein Vater mir zu berichten hat, welchen Schritt ich dann unternehme.« Sie warf Stokes einen Blick zu. »Wenn ich glaube, die Lehranstalt gefunden zu haben, werde ich Sie benachrichtigen.«
»Das müssen Sie nicht. Ich werde Sie begleiten.« Abwehrend hob Stokes die Hand, als Griselda den Mund öffnete. »Wie ich Ihnen schon gesagt habe, wenn Sie sich in Polizeiangelegenheiten einmischen und irgendeinem Risiko ausgesetzt sind, was eindeutig der Fall ist, dann bin ich dabei.«
Griselda runzelte die Stirn, senkte aber den Kopf. »Ja, ausgezeichnet. «
»Wir werden auch dabei sein.« Penelope erhob sich aus den tiefen Polstern des Sofas. »Wir werden die Liste viel schneller abarbeiten können ...«
»Nein.« Barnaby legte die Hand auf ihren Arm und hielt ihren Blick fest, als sie ihn anschaute. »Sie haben einen anderen Weg zu gehen.« Offenbar begriff sie nicht, und er fügte hinzu: »Die Akten, erinnern Sie sich?«
»Oh. Ja.« Sie zwinkerte, schaute Stokes an. »Das hatte ich vollkommen vergessen.«
Stokes runzelte die Stirn. »Welche Akten?«
»Im Findelhaus«, erläuterte Barnaby, »erinnerst du dich an unseren früheren Gedanken, den Verbrechern eine Falle zu stellen, indem wir einen geeigneten Jungen observieren lassen, dessen Vormund bald sterben wird?« Stokes nickte, und er fuhr fort. »Der Plan wurde fallen gelassen. Denn Jemmie war der einzige passende Junge in den Akten. Mit dem Tod seiner Mutter war allerdings erst in ein paar Monaten zu rechnen.«
Sein Tonfall klang härter, als er weitersprach. »Wie dem auch sei. Wenn man bedenkt, was Jemmie widerfahren ist, dann liegt es auf der Hand, dass sie einen dringenden Bedarf an Jungen haben. So dringend, dass sie nicht mit der Wimper zucken, wenn es darum geht, das Leben eines kränkelnden Vormunds frühzeitig zu beenden.«
Stokes’ Gesichtszüge wirkten kantig. »Wenn du also noch einen Jungen mit der richtigen körperlichen Statur finden kannst und wenn dieser Junge einen leidenden Vormund hat, der bald sterben wird, dann haben wir eine Chance ...« Er hielt inne, als würde er den Blick nach innen richten, konzentrierte sich dann auf Penelope. »Wenn Sie einen solchen Burschen im East End ausfindig machen können, dann garantiere ich Ihnen, dass die Polizei für seine Sicherheit sorgen wird. Wir werden ihn permanent beobachten lassen ... und wenn diese Verbrecher zu Besuch kommen, schnappen wir sie uns. Und wenn ich persönlich Wache stehen muss.«
Penelope bemerkte eine glühende Leidenschaft in seinem Blick, schaute Griselda an und stellte fest, dass ebenfalls eine Leidenschaft, wenn auch nur schwach, in ihrem Blick glomm. Plötzlich fühlte sie sich unendlich viel besser, war sogar bereit, die Ermittlungen im East End ihnen und Barnaby zu überlassen, während sie sich durch die Aktenberge wühlte.
Barnaby seufzte. »Wie viele Akten sind es noch?«
»Sie haben den letzten Berg gesehen ... multipliziert mit zehn«, sagte sie.
Er wandte sich an Stokes. »Wir hätten vermutlich eine bessere Arbeitsteilung, wenn ich Miss Ashford helfen würde, die Akten durchzusehen. Ich melde mich sofort, wenn es einen passenden Kandidaten gibt.«
Schweigend fing Stokes den Blick seines Freundes auf,
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