Im Feuer der Smaragde
die ganze linke Seite, bis ins Gesicht. Auch das Haar ist verbrannt. Ich hole meine Schere und schneide es zurecht. Jemand hat einen harten Belag auf die Brandwunden geschmiert, der eine Art Kruste bildet. Jetzt bröckelt er an den Rändern ab. Wird schon seinen Sinn haben, ich lasse ihn drauf. Riecht nach Honig.« »Wer würde einen Sterbenden mit Honig beschmieren?«, fragte Albert besorgt. »Wer sagt denn, dass er stirbt? Er scheint immer wieder wegzudämmern. Vielleicht haben ihn die Schmerzen
erschöpft.«
Pollys große, plumpe Hände waren überraschend sanft. Sie untersuchte die Wunden in Brust und Rücken, wusch den Schlamm ab, der daran festgetrocknet war, und trat überrascht zurück, als sie sah, dass sie genäht worden waren.
»Holt mal die Lampe heran! Gott im Himmel, seht euch das an. Ich würde sagen, ein Buschdoktor hat ihm geholfen. Die Wunde ist genäht. Und der Rücken? Die Kugel ist sauber durchgegangen, hier sind weitere Stiche.« Albert warf einen flüchtigen Blick auf die Wunden und trat beiseite. Er roch das Desinfektionsmittel, das Polly verwendete, und hörte den Mann stöhnen. Er kam wohl wieder zu sich.
Doch was nun? Eine Schusswunde konnte nur eins bedeuten. Er war auf der Flucht, wer immer er auch sein mochte, und das machte das Ganze noch schlimmer. Sie alle konnten wegen Fluchthilfe angezeigt werden. Im Geiste rang er die Hände, während er einen weiteren Eimer Wasser zu Polly schleppte und ihr dann einen kleinen Becher brachte, aus dem sie dem Verletzten zu trinken geben konnte. Er musste ihr helfen, die Brust zu verbinden, und entschuldigte sich für die Nacktheit des Patienten.
»Ja, Albert, du solltest ihm etwas zum Anziehen besorgen. Egal was kommt, er muss wenigstens Hose und Hemd tragen. Mit dem Fell kann er nicht rumlaufen.« »Soll ich jetzt gehen?« »Ja. Und zwar schnell. Ich will nicht hier drinnen erwischt werden.«
Sobald Albert gegangen war, beugte sie sich über den
Fremden und flüsterte: »Hören Sie, Mister. Sind Sie geflohen? Wenn ja, können Sie nicht hier bleiben. Der Boss liefert Sie aus. Er ist ein hoher Offizier.«
Jack öffnete die Augen. Wer war diese Frau? Er stöhnte wieder. Jesus, schon das Atmen tat weh. Was war passiert? Er erinnerte sich noch an das Sträflingsschiff. Nein, er war auf der Gefängnisfarm von Mudie.
»Sie haben Brosnan erschossen«, sagte er, seine Zunge lag dick und schwer in seinem Mund. »Wo? Wo ist das gewesen?« »Bei Mudie.« »Mudie? Major Mudie?« Alle Sträflinge in New South Wales kannten Mudies Gefängnisfarm. Ein brutales Arbeitslager, in dem hauptsächlich Kettensträflinge einsaßen.
»Wer sind Sie?«, fragte er. »Das tut nichts zur Sache. Sie liegen einfach still und ruhen sich aus. Albert soll Ihnen eine Pritsche besorgen.« »Was ist mir passiert?«
»Sie wurden angeschossen. Und haben schlimme Verbrennungen. Ich gebe Ihnen Laudanum, damit Sie schlafen können.«
Jack strengte sich an, wollte sich erinnern. »Sie haben nicht auf mich geschossen«, wollte er sagen. Brosnan wurde erschossen, doch sie hörte nicht zu. Er wollte sie überzeugen, doch seine Stimme schwand. Es war, als wäre er in einen tiefen Teich gefallen, er kämpfte sich nach oben und versank wieder, tauchte auf, glitt so oft vom Wachsein in die Bewusstlosigkeit, dass sich Traum, Erinnerung und Wirklichkeit vermischten. Er schien in
einer Folterkammer zu stecken, sein Verstand war Schlamm, Treibsand, zerfloss in dem Schmerz, den man ihm fortwährend zufügte. Alle Gedanken waren trügerisch. Doch Jack Drew war schlau, und irgendwo in seinem Gehirn gab es eine Ecke, die wusste, wann er zuhören musste…
Vielleicht war es ein Warnsignal, das ihm half, als alles andere versagte. Es war kürzlich so gewesen, als die Stimme ihm sagte, er solle ruhig sein.
Und heute erlebte er es wieder: sein drittes Ohr hatte eine Warnung vernommen. Er wusste, er war in Gefahr, und hielt die Information fest, als er wieder unterging.
Sie trugen ihn irgendwohin. Sie gab ihm etwas Warmes, Breiiges, das seinem Magen gut tat. Dann fiel die Tür in seinem Gehirn wieder zu, wobei er noch einen seltsam vertrauten Geruch wahrnahm.
»Er ist abgehauen«, sagte sie zu Albert. »Er sagt, er komme von Mudies Gefängnisfarm.« Albert lachte. »Von wegen. Da gibt es gar keine Sträflinge mehr.
Wurde schon vor Jahren geschlossen. Der alte Mudie ist nach England zurückgegangen.«
»Das hat er aber gesagt. Muss wohl gelogen haben. Ist aber geheimnisvoll, wenn du mich
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