Im finsteren Wald
Schalen, Gabeln und Löffel an, die Felle der erlegten Tiere wurden zu Kleidung gebastelt. Vor der Kälte fanden sie Schutz unter der Erde, in den Höhlen herrschten konstante achtzehn Grad; vor dem Hunger hatte es weniger Schutz gegeben. Das Wild zog sich zurück, Beeren und Pilze wuchsen im Winter nicht und die Vorräte an Trockenfleisch, Getreide, Kartoffeln und Rüben von den Feldern außerhalb des Waldes hatten gerade so gereicht. In diesem Jahr mussten sie noch mehr von den Äckern der Dorfbewohner stehlen. Die Gefahr, entdeckt und erwischt zu werden, war groß, doch ohne die zusätzlichen Nahrungsmittel würden sie den nächsten Winter nicht überleben.
Hartmut hatte sich zurück gehalten und die Frauen bei der Geburt machen lassen, das waren Frauensachen, bei denen er sowieso nicht helfen konnte. Beinahe körperlich hatte er mit seiner Sieglind mitgelitten. Gegen Ende, als das Kind kam, hielt er es kaum noch aus, die Schreie ließen ihn denken, Sieglind würde es nicht schaffen und jeden Moment sterben. Doch es war gut gegangen, für ihn erschien es wie ein Wunder. Es war ein Wunder Gottes oder der Natur, dass auf diese Weise Kinder entstanden und auf die Welt kamen, gezeugt in Lust, geboren im Schmerz. Er schaute seine Tochter voller Stolz an.
„Sie ist das erste neue Mitglied unserer Gemeinschaft, mögen ihr noch viele folgen und ihnen eine bessere Zukunft als uns bevorstehen“, sprach er.
Er sagte es als Mitglied der Gruppe, er war nicht der Anführer ihrer Gemeinschaft geworden, sondern eine Frau war gewählt worden, so wie es Gundel im vorigen Jahr, als sie die Höhle fanden, gefordert hatte. Die Wahl war – welch Zufall - auf die willensstarke, dominante Gundel gefallen.
Sie, die sich nun Erste nennen ließ, sagte: „Dann sollten ihr aber noch viele neue junge Mitglieder folgen. Und sie sollten nicht alle von dir abstammen. Du bist jedoch bei uns der einzige Mann, und das ist auch gut so. Ich habe schon eine Idee, wie wir weiteren Zuwachs gewinnen können. Wenn es wärmer geworden ist, werden wir ausschwärmen und einen Mann fangen, der für Nachwuchs zu sorgen hat. Dann ...“, sie lachte abfällig, „dann kann er geopfert werden. Dies wird eine Gemeinschaft von Frauen werden!“
15
Rothaar erwachte am nächsten Morgen frisch und ausgeruht. Sie half Lockenhaar, ihr dichtes langes Haar zu bändigen und zu entfilzen, so gut es ging. Rothaar half gern den anderen, auch wenn sie nur wenig dafür zurück bekam. Mit Lockenhaar und Großbrust kümmerte sie sich um das Essen. Sie bereiteten Trockenfleisch, Früchte und Beeren in Schalen vor, für jede gab es heute zusätzlich ein Vogelei. Dann versorgte sie die Gefangenen. Lockenhaar half ihr dabei, entfernte den Fellknebel, damit Rothaar der Frau zu trinken geben konnte. Die Frau atmete ein paar Mal tief durch und sagte dann: „Bitte! Was ... Was haben Sie mit uns vor? Lassen Sie mich zu meinen ...“
Lockenhaar gab ihr eine klatschende Ohrfeige und wies auf die Schüssel mit Wasser in Rothaars Händen. Die Frau trank, dann kamen das Mädchen und der Mann an die Reihe. Dabei beobachtete Rothaar so viel wie möglich den Mann, er faszinierte sie ungemein. Gern hätte sie ein paar Wörter mit ihm gewechselt, Rothaar sprach und verstand die Sprache der bösen Menschen da draußen gut, sie hatte immer versucht, so viel wie möglich von den alten Frauen zu lernen und sie mit Fragen gelöchert. Darin war sie anders als die meisten der Frauen hier, die nur wenig im eigenen, primitiven Slang sprachen und sich nicht für das Leben außerhalb der Höhlen interessierten.
Erste hatte entschieden, dass der Mann für Nachwuchs sorgen sollte, bevor er geopfert würde. Rothaar fragte sich, wie es sich anfühlte, das Teil des Mannes in sich zu spüren, doch sie war vielleicht schon zu alt für Nachwuchs, obwohl sie zu den jüngeren Mitgliedern der Gruppe gehörte. Aber Erste würde sicherlich Kurze oder Kleinhand auswählen, den Samen des Mannes zu empfangen, da sie noch weniger alt als sie, Rothaar, waren. Bald würde sie es wissen.
Rothaar verteilte nun das Essen, zerstoßene Gerstenkörner mit Wasser zu einem Brei gemischt, an die Gefangenen. Zuerst gab sie dem Mädchen, das lieber heulte, statt zu Essen. Die Frau aß wenig und starrte sie an. Sie wollte etwas sagen, ihr Blick huschte zu Lockenhaar, die in der Nähe saß und sie musterte und sie blieb stumm. Der Mann zögerte erst und sah sich genau an, was er bekommen hatte, dann schlang er es
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