Im finsteren Wald
zu braten begann. Thomas, der sie neugierig beobachtete, das Feuer sorgte für schwache Beleuchtung, bereute seine Neugier. Eingeweide, Därme und innere Organe befanden sich in der Pfanne und begannen zu brutzeln. Thomas musste schon wieder würgen. Er musste hier verdammt nochmal heraus! Da ihm niemand Beachtung schenkte, begann er an der Fessel um seine Unterarme zu nagen. Das Seil schien aus Pflanzenfasern selbstgedreht zu sein und widerstand seinen Bissen hervorragend.
‚Steter Tropfen höhlt den Stein‘, sagte er sich. Er würde es schaffen, sich zu befreien, und wenn es viele Stunden dauerte. Aber den Verrückten wollte er nicht weiter ausgeliefert sein, er befürchtete, schon bald selbst ausgeweidet zu werden, wie der arme Tote, der jedoch das Glück hatte, schon tot zu sein und nichts mehr zu merken.
Weitere Frauen bereiteten in Holzschüsseln Essen zu. Sie schienen einen Teig zu kneten. Von dem Gebratenen stieg ein Geruch auf, der Thomas das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ, er konnte es nicht verhindern, so sehr er auch an die Dinge dachte, die sich in der Pfanne befanden. Der Geruch signalisierte seinem Körper etwas anderes und der Hunger tat ein Übriges. Sein Magen knurrte.
Die gefangene Frau war nun auch wach. Thomas wusste nicht, ob sie mitbekommen hatte, was mit ihrem Mann geschehen war oder wie lange sie bereits bei Bewusstsein war, aber er bemerkte, dass sie nur Augen für ihr Kind hatte und nun unter Schock ruhig und apathisch dalag und nur ab und zu kurze Blicke zu den Frauen warf. Sie weinte stumm vor sich hin und Thomas konnte sehen, wie sie die Fesseln bearbeitete. ‚Starke Frau‘, dachte er bewundernd und machte sich mit neuem Elan daran, seine Fesseln mit den Zähnen zu zermürben.
Er musste an seine Exfreundin Susanne denken, weil sie sich von ihm getrennt hatte, war er hier. Aber er durfte ihr nicht die Schuld an seiner Lage geben. Ja, er war vielleicht schuld, dass sie ihn verlassen hatte, aber dass er hier war, verdankte er nur sich selbst ganz allein. Auch wenn er noch mit ihr zusammen wäre, wäre er wahrscheinlich in diese Gegend gefahren, um einen Artikel zu recherchieren und zu verfassen.
Nun, da er allein im Leben stand, wer mochte ihn vermissen, wenn er hier gefangen dahinvegetierte oder für immer verschwand? Er dachte an die wenigen Arbeitgeber der Magazine, für die er als freier Mitarbeiter Artikel geschrieben hatte, würde ihn dort jemand vermissen? Erinnerte sich überhaupt jemand an seinen Namen? Würde er hier spurlos verschwinden, als hätte er niemals existiert? Oh, er musste diese unerfreulichen Gedanken beiseite wischen, sonst konnte er gleich deprimiert aufgeben und sich in sein Schicksal ergeben. Dumm nur, dass er gerade jetzt, wo er sich durchgerungen hatte, sein Leben zu ändern und neu zu gestalten, nicht mehr in die Lage kam, es durchzusetzen.
„Reiß dich zusammen“, sprach er zu sich selbst. „Du kommst hier lebend raus und dann kannst du dein neues Leben anfangen. Und wehe, du versaust es wieder!“
In der Höhle gab es Essen, die auf den Fellen liegende Frau, ja, sie war schwanger, erkannte Thomas nun sicher, bekam auch einen Anteil. Thomas und die Gefangenen bekamen nichts, worüber er nicht wirklich böse war. Wenn er nur an Essen dachte, rebellierte sein Inneres. Er hätte mit Sicherheit nichts herunter bekommen, aber Durst plagte ihn.
Dann kehrte Ruhe ein, nur gestört von diversen Schnarchgeräuschen.
14
1669
Sieglind bekam ihr Baby unter furchtbaren Schmerzen und nach langen Wehen. Die anderen Frauen hatten geholfen, soweit es ihnen möglich gewesen war und soweit sie Ahnung davon hatten, was bei einer Geburt zu tun war. Es dauerte lange, bis die Schreie der jungen Frau verstummten, gleich darauf erklangen Schreie in höherer Tonlage. Das Baby war da. Eine der Frauen, die schon bei einer Geburt dabei gewesen war, zerriss die Nabelschnur und verknotete sie erst bei dem Säugling, dann bei der ermatteten Mutter. Das Kind wurde begutachtet, es handelte sich um ein Mädchen, was freudig allen kundgetan wurde. Dann säuberten sie das Baby, hüllten es in weiche Felle, und legten es der Mutter an die Brust. Die kleine Gemeinschaft freute sich, weiblichen Zuwachs bekommen zu haben.
Sieben Monate lebte die Gruppe nun bereits in den Höhlen. Sie jagten mit selbstgeschnitzten Speeren kleine Tiere, sammelten, was sie an Essbarem finden konnten und hatten die kalte Zeit des Winters überstanden. Aus Holz fertigten sie Schüsseln und
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