Im fünften Himmel
macht«, sagt Lola.
Der ganze Tisch ringt angesichts dieser Ketzerei nach Luft. »Neinneinneinneinnein!«
Dann schweigt der Fanclub respektvoll, als die Bläser einsetzen und Barbara die erste Zeile ihrer Ballade singt: »There you are, looking just the same as you did last time I touched you â¦Â«
Doch ein paar Mitglieder wollen diese Bemerkung nicht auf sich sitzen lassen.
»Er hat noch mindestens ein Jahrzehnt vor sich!«, ruft True Blue mit erhobener Faust.
»Vielleicht auch zwei!«, stimmt Let It Shine, Let It Shine, Let It Shine zu.
»Sinatra hat weitergemacht, bis er über achtzig war!«, fügt True Blue hinzu.
»Ich glaube, wir sollten Barry zutrauen, dass er selbst weiÃ, was richtig ist«, sagt Lola. »Vielleicht will er aufhören, solange er noch ganz oben ist.«
»Hmpf! Wenn es so wäre, hätte er nach 1977 keinen Ton mehr gesungen. Hmpf!«
Wieder wird erschrocken Luft geholt.
»Wie kannst du so was sagen?«
»Ich sage, vertraut Barry«, sagt Lola. »Er würde uns nie willentlich enttäuschen. Vielleicht hat er noch andere Trümpfe im Ãrmel. Und selbst wenn nicht: Sollten wir nicht dankbar sein für all den Zauber, den er uns bisher geschenkt hat?«
Da können alle nur zustimmen.
»All I could taste was love the way we made it â¦Â«
»Du bist als Nächstes dran«, sagt Lola und zeigt auf Marcus. »Wenn du auf die Bühne gehst und den Refrain singst, habe ich die Wette gewonnen.«
»Eigentlich singe ich nicht«, sagt Marcus und schlürft den letzten Schluck Barrytini.
»Barbara auch nicht, aber das hält sie nicht ab!«
Der ganze Tisch erbebt vor Lachen, als Barbara zwischen den Refrains schmerzhaft zwischen den Tonarten wechselt.
»LOOKS LIKE WE MADE IT!«
»Ich habe schon sehr lange nicht mehr vor Leuten gesungen.« Ein halbherziger Protest. Ob es nun am Barrytini liegt oder an der eigenartigen Situation oder an dem ganzen höchst seltsamen Tagesverlauf von dem Augenblick an, als er Jessica Darlings Namen über den Lautsprecher hörte: Marcus ist bereit, auf die Bühne zu gehen und diese Wette zu gewinnen, nicht bloà für Lola, sondern für alle Barry-Manilow-Fans weltweit.
»We MAY-ii-YAY-ii-YAY-ii-DIT â¦Â«
Wieder stehende Ovationen! Marcus hat gerade eine entscheidende Barry-oke-Lektion gelernt: Eine spektakulär geschmetterte Schlusszeile kann die vorangegangenen dreieinhalb Minuten Gejaule rausreiÃen, vor allem wenn sie so spektakulär schrecklich klingt wie Barbaras letzte Zeile und nicht bloà schrecklich langweilig.
»Und jetzt hören wir mit âºCanât Smile Without Youâ¹Â â¦Â«, dröhnt der DJ, »hm ⦠wen hören wir denn?«
»Wie heiÃt du?«, fragt Lola.
»MnNameisMarcus.« Marcus nuschelt schon. Er wandelt auf dem schmalen Grat zwischen angesäuselt und dicht.
»Neiman Marcus? Wie das Kaufhaus?«
Ohne dem Publikum offiziell vorgestellt worden zu sein, stemmt Marcus sich auf die Beine und schwankt zur Bühne. Marcus hat seit der Prom 2002, als er seinen Song für Jessica gesungen hat, nicht mehr auf einer Bühne gestanden. Er hat gehofft, es wäre so wie in diesen herzerwärmenden Filmszenen, wenn ein nervöser Amateur auf die Bühne geht und ihn das grelle Scheinwerferlicht so blendet, dass er das Publikum nicht mehr sieht und sich leichter vormachen kann, nicht vor einem Raum voller fremder Menschen zu stehen, sondern allein in seinem Schlafzimmer, wo er in eine Haarbürste singt wie schon so oft, und diese kleine Selbsttäuschung befähigt ihn, die Rockstar-Rampensau rauszulassen, die immer schon in ihm steckte, für die er nur bisher zu schüchtern war. Doch in Marcusâ Fall ist alles anders, denn a) ist die Beleuchtung auf der Karaokebühne kein bisschen anders als im Rest der Bar, weshalb er jede Falte, jeden Leberfleck und jedes Hüftröllchen des Fanclubs sehen kann, und b) hat er noch niemals in eine Haarbürste gesungen, nicht mal in seinem eigenen Schlafzimmer.
Das Lied beginnt mit einem Klavierpart und einem lustlosen Pfeifen. Marcus schürzt die Lippen, aber irgendwas (Wodka) an diesem Gesichtsausdruck (Kirschlikör) kommt ihm albern vor (Schokoladenlikör). Er spuckt lachend ins Mikrofon.
»Singen, nicht spucken«, grummelt Worldwide Symphony Tour 1984.
Marcus hat gerade noch Zeit, sich mit dem
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