Im fünften Himmel
Handrücken den Mund abzuwischen, ehe er anfangen muss zu singen. »You ⦠know ⦠I â¦Â«
Es ist wie bei den Möchtegern-Talenten bei American Idol oder all den anderen Castingshows: Man merkt schon nach den ersten Tönen, ob ein Kandidat es hat oder nicht. Und auch wenn die MaÃstäbe dafür, was es ist und ob die Betreffenden es haben, von Show zu Show und Jury zu Jury sehr unterschiedlich sein können, so sind sich die hier gestrandeten Mitglieder des Barry-Manilow-Fanclubs von New Jersey absolut einig: Neiman Marcus hat es .
»Der Sieg ist mein!«, prahlt Lola.
Der Rest des Fanclubs teilt ihre Freude, denn es ist immer schön, einen neugierig Interessierten zum echten Fan werden zu sehen. Sie wippen und schnippen mit den Fingern im locker-flockigen Takt der ersten Runde RefrainâStropheâRefrain. AuÃerdem kommentieren sie seinen Auftritt im Flüsterton.
»Hat eine nette Stimme, dieser Neiman Marcus â¦Â«
»Ein bisschen tiefer und klangvoller als auf der Platte â¦Â«
»Eher ein Bariton als ein Tenor â¦Â«
»Barry ist ja heutzutage selbst mehr Bariton als Tenor â¦Â«
»Hmpf. Er kann seine Lieder nicht mehr in der Originaltonart singen. Hmpf.«
»Hey! Gefällt mir, wie Neiman Marcus seinen kleinen Hintern schwingt!«
»Er hat einen hübschen Hintern!«
»Barry hat auch einen hübschen Hintern!«
»Hmpf. So einen Hintern hat Barry nie gehabt!«
»Du hast ihn nicht siebenundsiebzig gesehen!«
»Sschhhh ⦠gleich kommt was Besonderes, das merkt man ihm schon an!«
Der Song nähert sich der Bridge im Mittelteil, der Apotheose des Schmalzpops. Marcus ist wild entschlossen, es wennschon, dann richtig zu machen.
»Iâm finding it hard leaving your love behiiiiiiiiind meeeeeeee!«
Vielleicht streckt er sogar melodramatisch die Hände zum Publikum.
Auf dem Höhepunkt dieser Modulation, am Ende der acht Takte des Mittelteils, stellt Marcus sich breitbeinig hin, streckt den freien Arm in die Höhe, wirft den Kopf zurück und schlieÃt die Augen.
Dem ungeübten Betrachter mag es scheinen, als sei Marcus bloà ein typischer Hipster, dessen betrunkener Geist ihn glauben lässt, seine ironische Imitation eines leichten Easy-Listening-Opfers sei viiiiiel witziger, als sie tatsächlich ist. In 99 Prozent der Fälle wäre diese Beobachtung korrekt, doch sein Auftritt ist das einsame Prozent, das vollkommen reinen Herzens daherkommt. Marcus gibt sich der Musik und dem Moment uneingeschränkt hin. Er ist ganz im Hier und Jetzt, er genieÃt die Freiheit, ungerührt Nerd sein zu können, er feiert seine Befreiung von der Dichter/Junkie/männliche-Hure-Aura, die ihm so viele Leute immer noch irrtümlich nachsagen. Marcus Flutie lässt seine persönliche Sau raus, im Namen des Showmans unserer Generation! Er gibt alles, wirklich alles für Barry Manilow! Er ist ein waschechtes Spektakel, eine weltweite Symphonie, er lässt es so hell leuchten, leuchten, leuchten, dass er gar nichts anderes mehr sieht, weder die jubelnden Damen vom Fanclub noch den grinsenden DJ noch das lächelnde Groupie, das sich auf die Bühne schleicht, um sein Solo zu einem Duett zu machen.
SECHZEHN
Marcus Flutie singt »Canât Smile Without You«, als wäre es seine Religion. Nicht einfach irgendeine Religion, sondern eine, die er selbst gestiftet hat. Hätte Marcus Lust, eine eigene falsche Kirche zu gründen, so wie L. Ron Hubbard, und sich als Prophet auszugeben, der das Evangelium nach Barry verkündet â¦
â¢Â  Er war Alive Forever
â¢Â  Er schrieb den First Song
â¢Â  Er hat Word and Melody zusammengefügt
â¢Â  Er ist Music
â¢Â  Er sagt: I Write the Songs
⦠dann würde Jessica sofort ihre Verpflichtung gegenüber der Universellen Priesterschaft weltlicher Humanität lösen und seine erste bekehrte Anhängerin werden. Sein hypnotischer Auftritt â ganz wie der im Traum, an den sie sich erst wieder erinnerte, als sie ihn in der berühmten Klodeckel-Pose auf der Bühne sah â hat Jessica auf die Knie sinken lassen.
Wie ist sie in diesen heiligen Hallen gelandet? (Sie ist aus Zimmer 2010 gerannt und hat den Fahrstuhl hinunter ins Foyer genommen.) Wann hat sie den Ruf zuerst vernommen? (Als sie durch den Eingangsbereich des Hotels rannte und Marcus
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