Im Gewand der Nacht
auf seine Ellbogen und rieb sich das heiße Gesicht mit etwas Eau de Cologne ein, das Süleyman ihm gereicht hatte. »Wir, oder besser Sie, Metin, sollten Ardiç davon berichten«, wandte er sich an İskender, der ihm gegenüber am Tisch saß.
»Ja, ich weiß.«
Ein paar Minuten lang herrschte Stille in der Küche, während die drei Männer versuchten, trotz der Hitze das zu verarbeiten, was İskender gesehen hatte. Bereits zum zweiten Mal saßen sie an diesem Tag zusammen, und sie hatten alle das Gefühl, mit ihren Informationen und Rückschlüssen ziemlich allein dazustehen.
»Aber können wir Ardiç denn trauen?« Süleyman bot seinen Kollegen eine Zigarette an und bediente sich ebenfalls.
»Ich weiß nicht, ob wir überhaupt noch jemandem vertrauen können«, meinte İkmen düster.
»Wenn Ardiç seine Anweisungen aus Ankara erhält«, überlegte İskender laut, »dann wäre es möglich, dass Tepe ebenfalls dazugehört. Es könnte sein, dass er Vedat eine Falle stellen soll.«
»Stimmt. Obwohl Tepe in letzter Zeit anscheinend zu ziemlich viel Geld gekommen ist. Er hat mir zwar erzählt, das gehe alles auf seine Kreditkarte, aber Ayşe Farsakoğlu zufolge hat er ihr gemeinsames Abendessen im Rejans inklusive Champagner bar bezahlt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Ankara ihn zusätzlich für etwas entlohnt, was ohnehin zu seinen Pflichten gehört.«
»Das ist richtig«, sagte Süleyman, »aber trotzdem wäre es denkbar, dass wir eine Polizeiaktion stören, die ganz weit oben geplant wurde.«
»Dann sollten wir uns vielleicht besser nicht einmischen und stattdessen nur beobachten«, erwiderte İkmen.
İskender runzelte die Stirn. »Aber woher sollen wir ohne weitere Informationen wissen, was wir da eigentlich beobachten?«
»Ich weiß es nicht«, sagte İkmen. »Aber ich habe das Gefühl, dass wir unbedingt vor Ort sein sollten. Irgendetwas passiert heute Abend um acht im Yıldız-Park, und ich will wissen, was das ist. Vedat Sivas ist am Leben und erfreut sich scheinbar bester Gesundheit. Er hat irgendetwas mit Tepe geplant. Und ob es nun eine Verbindung zu Schiwkow gibt oder nicht, eines ist sicher: Nach vierzig Jahren kennt Vedat den Yıldız-Palast wie seine Westentasche.«
»Euch beide müsste er auch ziemlich gut kennen«, sagte Süleyman und betrachtete seine Kollegen von Kopf bis Fuß.
»Stimmt. Wenn also irgendjemand ihm unbemerkt folgen kann, dann bist du das, Mehmet«, meinte İkmen. »Metin kann dir eine Beschreibung geben, falls du dich wirklich an der Sache beteiligen möchtest.«
»Warum sollte ich das nicht wollen?«
»Na ja, du bist gerade erst Vater geworden«, sagte İkmen, » und möchtest deine Karriere vielleicht nicht aufs Spiel setzen.«
»Oder Ihr Leben«, fügte İskender hinzu. »Was wir auch immer über diese Machenschaften zu wissen glauben, fest steht, dass Kaycee Sivas brutal ermordet wurde. Und dass ihre Mörder gefährlich und skrupellos sind.«
»Überleg es dir genau, Mehmet«, sagte İkmen ernst.
Süleyman lächelte. »Ohne mich dürfte es ziemlich schwer werden, Vedat zu verfolgen.«
»Schwer sicherlich, aber nicht unmöglich. Wir könnten uns außer Sichtweite aufhalten und über unsere Handys in Verbindung bleiben.«
»Ja, aber ich kann ihm offen folgen, und zwar bis zu der Stelle, an der er sich mit Tepe trifft. Ich möchte es machen, Çetin«, beharrte Süleyman. »Du hast mir mal die Geschichte von dem Londoner Mörder Jack the Ripper erzählt und wie frustrierend es ist, dass man wohl niemals herausfinden wird, wer er war. Ich weiß zwar, dass unser Fall damit nicht zu vergleichen ist, aber auch hier geht es um ein Geheimnis, und anscheinend kann niemand außer uns es lüften. Und was noch hinzukommt: Möglicherweise sind auch unsere Vorgesetzten in den Fall verstrickt. Wenn das stimmt, möchte ich dir unbedingt dabei helfen, der Sache auf den Grund zu gehen.«
»Also, wenn du dir ganz sicher bist …«
»Ja.«
Sie verabredeten sich für sechs Uhr in einem büfe in Beşiktaş; von dort aus würden sie zehn Minuten bis zu den Toren der Palastanlage benötigen. Und da unklar war, was sie, außer zu beobachten, eigentlich tun konnten, beschloss İkmen, ihre Schritte im Vorhinein nicht allzu präzise festzulegen. Sie mussten unbedingt flexibel reagieren können, da sie nicht wussten, was sie im Yıldız-Palast erwartete. Und im Grunde wollten sie darüber auch lieber gar nicht so genau nachdenken.
İskender ging als Erster; wie die beiden anderen
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