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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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sein Sohn nicht ins Wohnzimmer kommen und eine weitere Diskussion über die Zimmerverteilung vom Zaun brechen würde. Er brauchte etwas Ruhe, um über das nachzudenken, was Sofia Vanezis ihm eben erzählt hatte und welche Schlüsse er daraus ziehen sollte.
     
    Die Spitze des Messers drückte so fest gegen ihre Halsschlagader, dass Suzan Şeker kaum zu atmen wagte.
    »Ich weiß, dass du der Polizei von der Abmachung zwischen uns und deinem toten Mann erzählt hast«, sagte Ekrem Müren und verringerte den Druck der Klinge auf Suzans Hals, damit sie sprechen konnte. »Wer soll der Polizei denn sonst davon erzählt haben? Du musst es gewesen sein.«
    »Nein!«
    »Die haben Ekrem verhaftet!«, rief Celal, der an der Küchentür lehnte. »Sie haben ihn zwar wieder laufen lassen, aber erst mal haben sie ihn eingebuchtet … Sie haben gesagt, wir hätten Geld von Hassan kassiert.«
    »Hör auf zu quatschen, Celal!« Ekrem beugte sich vor und blies Suzan seine Bierfahne ins Gesicht. »Im Grunde ist es mir auch egal, weil unsere Geschäfte mit dir sowieso bald beendet sein werden.«
    Suzan schloss die Augen; ihre Lippen bebten vor Angst. Das war’s dann also. Bald wäre sie wieder mit Hassan vereint – welch dunkler und schmerzensreicher Ort auch immer auf unreine Seelen nach dem Tode warten mochte. Ihre Kinder würden Waisen sein! Bei diesem Gedanken riss sie erschrocken die Augen auf und schluckte mühsam. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Man redete einfach nicht mit der Polizei über irgendwelche Abmachungen! Auch nicht inoffiziell – so etwas gab es nämlich nicht. Süleyman hatte die Information gegen ihren Willen benutzt. Was war nur in sie gefahren? Der Kummer über den Tod ihres Mannes? Der Wunsch, ihren Schwiegervater Kemal mit einer Zivilcourage zu beeindrucken, die sein Sohn nie besessen hatte? Sie wusste es nicht. Das Einzige, was sie ganz genau wusste, war, dass sie diese Bestien nicht um Gnade anflehen würde. Natürlich waren sie genau darauf aus, aber das würde sie ihnen verweigern, falls ihr wirklich niemand mehr zu Hilfe kommen sollte.
    »Tu, was du willst«, sagte sie und blickte ihren Peiniger grimmig an. »Aber haltet meine Kinder da raus.«
    »Deine Kinder sind uns egal«, erwiderte Ekrem. »Wir interessieren uns sowieso nicht mehr für das Geschäft.«
    »Bald müssen wir nämlich nicht mehr diese mickrigen Beträge kassieren«, prahlte sein Bruder. »Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir richtig reich, sagt mein Vater …«
    »Celal!«
    Der jüngere Bruder senkte den Kopf und murmelte: »’tschuldigung.«
    »Dann wirst du mich jetzt also umbringen.«
    »Aber nein«, sagte Ekrem, »nicht doch!« Erneut drückte er ihr die Klinge gegen den Hals, so dass die Haut an ihrer Kehle spannte. »Nein. Du wirst die Schulden bei uns noch bezahlen. Allerdings haben wir dieses kleine Geschäft weiterverkauft.«
    »An wen?«, fragte Suzan vorsichtig, um nicht gegen das Messer in der Hand ihres Peinigers zu stoßen.
    »An eine Gruppe, sagen wir mal, etwas unerfahrener junger Männer«, erwiderte Ekrem, »die wesentlich unvernünftiger sind als wir.«
    »Aserbaidschaner.«
    »Celal!«
    »Na, irgendwann muss sie’s doch erfahren.«
    »Halt’s Maul!« Ekrem lachte Suzan an, die kreidebleich geworden war. »Du wirst ihnen gefallen«, murmelte er leise. »Mir gefällst du jedenfalls. Vielleicht lassen sie dich ja auch in Naturalien zahlen.«
    »Ich …«
    »Betrachte deine neuen Herren als eine Strafe, die ich dir auferlege«, sagte er. »Und denk immer daran: Wenn du ihnen jemals auf die krumme Tour kommst, werden sie deine Kinder vor deinen Augen abschlachten.«
    Tränen schossen Suzan in die Augen.
    Ekrem lächelte affektiert. »Aber jetzt bezahlst du erst mal deine Schulden bei mir«, sagte er und drückte von oben auf ihre Schulter.
    »Aber ich habe überhaupt kein Geld hier; es ist alles auf der Bank«, stotterte Suzan, während sie vor ihm auf die Knie sank.
    »Das macht nichts«, sagte Ekrem. »Du kannst die Schulden abarbeiten.«
    Er öffnete den Reißverschluss seiner Hose und zog ihren Kopf grob zu sich heran.
     
    Es war viel zu heiß, um sich im Freien aufzuhalten. Selbst im Schatten der Bäume stand die Luft. Wenn er alle seine Sinne beisammen gehabt hätte, dann wäre er zu Hause geblieben und hätte sich von irgendeinem Schwachsinn in einem der zahllosen Satellitenprogramme berieseln lassen. Wenn man beide Balkontüren weit öffnete, war die Wohnung schön luftig, und im Kühlschrank

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