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Im Gewand der Nacht

Im Gewand der Nacht

Titel: Im Gewand der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Nadel
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exotisches Heimatland ein. Und da Vedat bereits hier arbeitete, konnte ich dem Mann sogar versprechen, er dürfe sie in einem richtigen Palast ficken.« Sivas’ Augen trübten sich bei der Erinnerung daran. »Ich suchte mir Muazzez und drei andere Frauen, natürlich unabhängig voneinander. Er machte mit ihnen alles, was ein Mensch einem anderen antun kann, und die unglücklichen Dinger gaben nicht mal einen Laut von sich. Der Italiener fuhr richtig darauf ab – auf ihr Schweigen, ihre Gefügigkeit. Es sei, als spiele man mit dicken, dunkelhäutigen Puppen, meinte er.«
    »Und dann hat der Neapolitaner Sie dafür belohnt.«
    »Er hat seinen Freunden davon erzählt«, sagte Sivas düster. »Weil es so anders war. Er und seine Freunde hatten schon alles ausprobiert: Starlets, Kinder, Jungen, Marilyn. Und jetzt also Türkinnen, stille, dicke, unterwürfige Prinzessinnen. Und so wurde ich zum Star – im Gegenzug dafür, dass ich der Cosa Nostra und ihren Freunden ein echt osmanisches Erlebnis verschaffte. Alle waren in den Sechzigern hier«, fuhr er verbittert fort. »Einige davon auf Staatsbesuch. Sie haben mich sogar bezahlt. Und das tun sie heute noch.«
    »Und Sie haben sie alle hier empfangen?«
    »In den Räumen, die der verrückte Sultan unter dem Palast anlegen ließ. Die republikanische Regierung hat sie zumauern lassen, aber die Leute, die hier arbeiteten, wussten, wo sie sich befanden. In dieser Stadt gräbt jeder unter dem Pflaster nach einem Schatz, Inspektor. Die Einwohner von Istanbul sind immer auf der Suche nach dem schnellen Geld. Also kehrte ich einmal im Jahr nach Hause zurück, und einmal im Jahr richtete Vedat die Räume her.« Er lächelte freudlos. »Zu uns kam nur die Elite: Mafiabosse, Politiker, Filmstars, die Mächtigen der Welt. Niemand mit gesundem Menschenverstand hätte je geglaubt, dass so etwas in einem provinziellen Land wie der Türkei möglich wäre. Meine Kunden waren begeistert. Und ich war ebenfalls begeistert – ein Bauernjunge aus Haydarpaşa, der nicht nur ein Filmstar war, sondern auch noch Begründer des exklusivsten Clubs der Welt.«
    »In dem Sie selber Kunde waren«, sagte İkmen in Erinnerung an die Geschichte, die Sofia Vanezis ihm erzählt hatte.
    Hikmet Sivas runzelte die Stirn. »Nein, warum sollte ich? Ich war jung und sah gut aus. Wie kommen Sie darauf, ich könnte …?«
    »Sofia Vanezis, eine Griechin«, erwiderte İkmen. »Sagt Ihnen der Name etwas?«
    Der schwer verletzte Filmstar lachte leise. »Wenn Sie diese Verrückte meinen, die Muazzez mir zugeführt hat«, sagte er, »dann weiß ich, von wem Sie sprechen. Aber ich versichere Ihnen, dass ich nie mit ihr geschlafen habe. Ich konnte sie nicht gebrauchen, weder für meine Kunden noch für mich. Die redete doch in einer Tour wirres Zeug. Ich habe ihr nur Muazzez zuliebe zugehört, habe ihr eingeschärft, sie solle niemandem von unseren Treffen erzählen und ihr dann das Geld gegeben, das sie sonst verdient hätte. Damals war ich reich.«
    Plötzlich wurde die Tür des Nachbarraums aufgerissen. Gelächter erschallte. İkmen presste Hikmet Sivas wieder die Hand auf den Mund und knipste die Taschenlampe aus.
    »Ich wünsche Ihnen eine angenehme Reise«, sagte eine tiefe Stimme auf Türkisch, aber mit starkem Akzent.
    Eine sanfte, einheimisch klingende Stimme erwiderte: »Es war mir ein Vergnügen.«
    »Ihre Beteiligung ist für uns von unschätzbarem Wert, General.«
    »Ebenso unschätzbar wie die Summe, die wir gemeinsam verdienen werden.«
    Beide Männer lachten.
    »Gute Nacht.«
    Erst als er vollkommen sicher war, dass niemand mehr im Korridor stand, schaltete İkmen seine Taschenlampe wieder ein.
    »Wissen Sie, was da vor sich geht?«, fragte er Sivas und leuchtete in dessen einst so attraktives Gesicht.
    »Natürlich weiß ich das«, erwiderte der Star hochmütig. »Jeder da drin will meine Fotos haben.«
    »Was?«
    »Schon als junger Mann habe ich mich immer gerne abgesichert«, sagte Sivas und rieb sich die Handgelenke. »Ich habe jeden Kunden des Harems fotografiert, in flagranti, verstehen Sie? Nicht um ihn zu erpressen, sondern sozusagen als Versicherung für den Fall, dass irgendein Studioboss meinen Vertrag kündigen wollte oder eine noch wichtigere Person beschließen sollte, meinen Antrag auf amerikanische Staatsbürgerschaft abzulehnen. Ich habe die Fotos in versiegelten Umschlägen aufbewahrt … an einem bestimmten Ort.« Er lächelte. »Bis vor einem Jahr wusste niemand von diesen Fotos

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